Doppelselbstmord 1918 „Während der Vernehmung haben sich beide erschossen“

Nettetal · Der Lobbericher Bürgermeister hielt in seinem Polizeibericht die Ereignisse fest. Künstler griffen den Doppelselbstmord auf

 Auf dem evangelischen Friedhof in Kaldenkirchen erinnert ein Gedenkstein an Adalbert Cohrs und Bernhard Graf von Uxkull-Gyllenband.

Auf dem evangelischen Friedhof in Kaldenkirchen erinnert ein Gedenkstein an Adalbert Cohrs und Bernhard Graf von Uxkull-Gyllenband.

Foto: Busch, Franz-Heinrich (bsen)/Busch, Franz Heinrich (bsen)

Erst ein Quellenfund der Archivamtsrätin Vera Meyer-Rogmann im Gemeindearchiv von Lobberich machte es möglich, die Details des Doppelselbstmordes von Adalbert Cohrs und Bernhard Graf von Uxkull-Gyllenband im Heimatbuch des Kreises Viersen 2004 bekannt zu machen.

Lobberichs Bürgermeister berichtete am 29. Juli 1918: „Gestern Nachmittag ging der Polizeiverwaltung die Nachricht zu, dass beim Metzger Strucken hierselbst zwei bessere Herren mit der Bitte vorstellig geworden seien, sie über die Grenze zu bringen. Strucken, der das Verlangen abgelehnt hat, meldete dies sofort der hiesigen Stelle. Die sofort aufgenommenen Ermittlungen führten zur Festnahme zweier Personen, die sich im Hotel Meiners, hier, aufhielten. Die beiden legitimierten sich mit militärischen Papieren und zwar zeigte der Aeltere einen Militärfahrschein und das Besitzzeugnis über das Verwundeten-Abzeichen lautend auf den Namen; Leutnant der Reserve Cohrs. Ersatz Abteilung Feld –Artillerie Regiment 69/70. Der Jüngere legitimierte sich mit einem in einer belgischen Garnison befindlichen Kriegsschule ausgestellten Urlaubspass, lautend auf den Namen: Fahnenjunker Graf Uxküll vom I. Garde-Feld-Artillerie-Regiment.

Beide Herren waren in Civil. Uxküll trug mehrere Photographien (von sich) in Uniform sowie mehrere andere Papiere bei sich, woraus zu schliessen war, dass es sich tatsächlich um einen Grafen Uxküll handelte. Ich liess die beiden Personen, da sie dem Offizier- bezw. Soldatenstande angehörten, der nächsten militärischen Dienststelle, das ist die Landsturm-Kompagnie in Kaldenkirchen, vorführen. Diese Vorführung geschah zunächst auf eigenen Wunsch der Betreffenden. Während der Vernehmung in Kaldenkirchen haben sich beide erschossen.“ In der Presse war in den folgenden Tagen von der irrigen Vermutung zu lesen, bei den beiden Toten hätte es sich um Spione gehandelt. Zu lesen war in der Zeitung auch, wie sich der Doppelselbstmord abgespielt hatte: „Bei ihrer Vernehmung dort durch die Militärbehörde zog der eine von den Verhafteten ein Tesching (kleines Gewehr) aus der Tasche und tötete sich durch einen Schuß in die Schläfe. Der andere, der während der Vernehmung in einem Nebenzimmer von einem Posten bewacht wurde, zog, als er den Knall hörte, ebenfalls eine Schußwaffe aus der Tasche, um sich zu erschießen. Dadurch, dass der Posten versuchte, ihm die Waffe aus der Hand zu schlagen, trug er nur eine schwere Verletzung davon, an deren Folgen er jedoch verschied. Hoffentlich bringt die eingeleitete Untersuchung in die dunkle Angelegenheit nähere Aufklärung.“

Im Kreis um den Lyriker Stefan George fand der Tod der beiden jungen Männer künstlerische Reaktionen. Maler Ernst Heckel erinnerte in seinen Erfurter Wandbildern an die beiden. Bildhauer Ludwig Thormaehlen schuf 1920 einen Jünglingskopf, der Bernhard Graf von Uxkull darstellt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort