Moers ZDF-Reporter: Mehrere Moerser Kita-Adressen auf NSU-Todesliste

Moers · Der Verein Schwule und Lesben soll im Visier von Rechtsextremisten gestanden haben. Vorsitzender zeigt sich bestürzt. SPD-Mitglieder kritisieren "staatliche Organe".

 Die Moers SPD-Politiker Ibrahim Yetim (links) und Atilla Cikogklu (rechts) mit ihrem Parteigenossen Sascha Roncevic, Vorsitzender des Vereins Schwule und Lesben Moers.

Die Moers SPD-Politiker Ibrahim Yetim (links) und Atilla Cikogklu (rechts) mit ihrem Parteigenossen Sascha Roncevic, Vorsitzender des Vereins Schwule und Lesben Moers.

Foto: SPD

Eine ZDF-Doku über die "Todesliste" des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) sorgt nach der Ausstrahlung für Verärgerung und Verwirrung in Moers. Unter den insgesamt 10.000 Einträgen auf der Liste befänden sich "mehrere Adressen von Kindergärten" in Moers, hieß es in dem TV-Beitrag. Bei ihren Recherchen stießen die Autoren auf den Verein Schwulen und Lesben aus Moers (Slam), dessen Vereinsräume im Keller des städtischen Kindergartens Rüttgersweg in Hülsdonk liegen. Offenbar sei nicht die Kita, sondern der Verein auf der "Todesliste" gemeint, folgerten die Autoren.

Der Vereinsvorsitzende Sascha Roncevic, der in der Doku zu Wort kommt, zeigte sich gestern gegenüber unserer Zeitung bestürzt, dass er erst durch Journalisten ins Bild gesetzt wurde. "Niemand hat uns Bescheid gesagt, weder Polizei noch Staatsschutz noch Staatsanwaltschaft." Die Moerser SPD-Politiker Ibrahim Yetim und Atilla Cikoglu drückten gestern ihre Solidarität mit dem Verein und ihr Unverständnis über die "staatlichen Organe" aus: "Wenn jemand im Fokus von Extremisten gelangt, erst recht, wenn jemand auf einer Todesliste steht, dann haben die Behörden zu informieren und zu helfen."

Ermittler fanden die "Todesliste" 2011 in der Zwickauer Wohnung, die das NSU-Trio Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zuletzt bewohnt hatte. Auf das Konto der Terrorbande sollen unter anderem mehrere Morde gehen. Die ZDF-Doku wirft die Frage auf, ob der NSU die Liste allein oder mithilfe eventueller Hintermänner und Helfer erstellt habe. Sascha Roncevic geht davon aus, dass jemand aus der Moerser Region die Nazis in Sachsen über den Schwulen- und lesbenverein informiert hat. Es habe eine öffentliche Diskussion und Widerstand gegeben, als der Verein sich 2002 gegründet und die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe beantragt habe. Dass dem Schwulen- und Lesbenverein, dem rund 110 Mitglieder aus Moers und Umgebung angehören, gegenwärtig Gefahr drohe, glaubt Roncevic nicht. "So verrückt darf man sich nicht machen. Dann wäre in den letzten 15 Jahren etwas passiert."

Was es mit den anderen Kita-Adressen auf sich hat, die angeblich auf der "Todesliste" stehen, ist unklar. Ihm hätten die Autoren gesagt, dass die Liste nur eine einzige Kita-Adresse enthalte, nämlich die in Hülsdonk, sagte Roncevic. Die Stadt weiß von nichts, und auch der Staatsschutz in Duisburg konnte uns gestern nicht helfen.

Unsere Redaktion hat gestern versucht, über das ZDF die Autoren zu kontaktieren. Unsere Fragen wurden wurden bis zum Abend nicht beantwortet. Der Film "Die Todesliste des NSU" kann in der ZDF-Mediathek abgerufen werden.

(RP)
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