Moers Wo der Mammon regiert

Moers · Deutsche Erstaufführung: Das Schlosstheater Moers bringt ein weiteres Stück zur Finanzkrise auf die Bühne. Ulrich Greb inszeniert das Theaterstück "Gerechtes Geld" des jungen amerikanischen Autors Michael Yates Crowley.

So hören sich also Bekenntnisse im 21. Jahrhundert an: Im Zeitalter der kaltschnäuzigen Börsenspekulanten, Manager und Finanzhaie werden sie zu Medienereignissen mit aalglatten Sündern, die vor der Kamera zwar den Seelenstriptease geben, letztlich aber nicht wirklich beabsichtigen, Buße zu tun: "Du kannst meine Schuldgefühle haben, aber mein Geld bekommst Du nicht", sagt CJ. Dieser Börsenguru, der sich in einer eigenen TV-Show völlig enthemmt und unzensiert zum Gott des Mammons stilisieren darf, steht im Mittelpunkt des Theaterstücks "Gerechtes Geld" des Autors Michael Yates Crowley, das nur oberflächlich besehen als eine Parodie auf die Finanzbranche daher kommt. Das Schlosstheater brachte "Gerechtes Geld" am Samstag als Doppelpremiere auf die Bühne: Das Publikum erlebte zunächst die Moerser Interpretation als deutsche Erstaufführung mit Matthias Heße in der Rolle des Börsengurus, im Anschluss daran die Originalversion. Autor Michael Yates Crowley war aus den USA gekommen, um sein Stück, das als ein szenischer Monolog angelegt ist, selbst zu präsentieren.

Kettensäge und Theaterblut

Regisseur Ulrich Greb lässt CJ in seiner Inszenierung nicht allein auf die Bühne: Spielerischer Gegenpart zu Matthias Heße ist Patrick Dollas als schweigender Aufnahmeleiter, CJs Prügel- und Lustknabe Sandra. Die Bühne im Schloss ist karg eingerichtet: ein Schreibtisch mit PC und Telefon, ein schwerer Bürostuhl aus schwarzem Leder und eine Leinwand, auf der das Gesicht CJs durch die Kamera erbarmungslos vergrößert wird. Der Zuschauer muss sich erst an Matthias Heße in der Rolle des fiesen, kaltschnäuzigen, bisexuellen Egomanen gewöhnen. Das liegt daran, dass seit der Finanzkrise wohl jeder eine eigene Vorstellung von "diesen Typen" im Kopf hat. Doch Heße gelingt es schnell, das Publikum zu überzeugen und mitzunehmen in die Welt der Aktien, Zertifikate und Derivate, der Hedge Fonds und Insidergeschäfte, wenn er mit einem maliziösen Grinsen erklärt, dass die Rezession Gottes Werk sei und niemand die Krise habe vorhersehen können.

Er verkörpert einen Getriebenen, der über Leichen geht und in Liebesnächten mit seinem Assistenten zu viel über Insidergeschäfte plaudert — großartig zerrissen zwischen Absturz-Angst und Größenwahn, Reue und dem Glauben an die Macht des Marktes. Ulrich Greb spart als Regisseur nicht daran, die Geschichte mit grellen Bildern zu überzeichnen. Und so muss sich der Zuschauer im Schloss auf jede Menge Theaterblut gefasst machen, wenn CJ seinem treulosen Assistenten mit einer Kettensäge zu Leibe rückt. Autor Michael Yates Crowley, der tagsüber tatsächlich in einem New Yorker Hedge Fond arbeitet und damit die nötige Innensicht hat, spielt zurückgenommener als die Moerser. Er präsentiert sein Stück als szenische Lesung, aber mit genauso viel bissiger Spielfreude — ironisch und das System entlarvend. Und am Ende lässt auch Crowley als CJ im beiderlei Sinne die Hose runter.

(RP)
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