Moers Wirbel ums Petrusheim

Moers · Vor Günter Wallraffs Enthüllungen über das Petrusheim in Weeze führten die Betreiber hohen Caritas-Besuch durch die Anlagen. Auch hilfsbedürftige Menschen aus der Grafschaft leben in der offenen Einrichtung.

Der früh gealterte Mann, der da seinen Rollator über den Kiesweg schiebt, begrüßt die Fremden höflich: "Mahlzeit! Jetzt bekommen wir aber den Winter, was?" Mit Recht erwartet er eine freundliche Antwort. Er hat keine eigene Wohnung und lebt im Weezer Petrusheim. Um seine und die Würde zahlreicher anderer Wohnungsloser geht es bei einer Aktion der Caritas, die in diesen Tagen in den Kreisen Kleve und Wesel Station macht. Vor einigen Wochen besuchten Domkapitular Dieter Geerlings, Vorsitzender des Caritasverbandes der Diözese Münster, Heinz-Josef Kessmann als Direktor des Verbandes und weitere führende Caritas-Mitarbeiter die Weezer Einrichtung. Dieter Bergmann, der Leiter des Petrusheims, führte die Besucher durch die Anlage.

Geld für Informationen gezahlt

Vor einigen Tagen hat dann das Heim unerwartete Berühmtheit erlangt: Der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff gab zu, als Obdachloser getarnt im Petrusheim gelebt und dort für sein neues Buch recherchiert zu haben. Der Träger des Heims, der Rheinische Verein für katholische Arbeiterkolonien, hat mit einer Stellungnahme reagiert. Man sei "enttäuscht" über Wallraffs Art der Recherche und wirft dem Autor selbst fragwürdige Methoden bei der Recherche vor: "Er hat, um an ,Informationen' zu gelangen, wohnungslosen und betroffenen Menschen, die in unserer Einrichtung leben, Geld gezahlt."

Die Bewohner erzählten Wallraff von Vergünstigungen für Vorstandsmitglieder, etwa beim Einkauf in der Metzgerei des Heims. Und davon, dass ein ehemaliger Heimleiter Bewohner als Arbeitskräfte für den Bau seines Eigenheimes eingespannt habe. Der Trägerverein weist diese "Vorwürfe der persönlichen Bereicherung" zurück. Offenbar hätten Bewohner Vorgänge falsch wahrgenommen, sagt Geschäftsführer Gerold König auf RP-Anfrage.

"Es stimmt, dass die Vorstandsmitglieder einmal im Jahr einen Präsentkorb mit Fleischwaren bekommen". Dessen Wert liege aber deutlich unter der Höchstgrenze von 30 Euro für solche Geschenke. "Wir sind natürlich dem Vorwurf der Hilfe zum Eigenheimbau nachgegangen", sagt König. Auch dieser habe sich in Luft aufgelöst. Es habe sich um die Dienstleistung eines Elektrikers gehandelt. "Alles wurde korrekt abgerechnet", sagt Gerold König.

Der Rheinische Verein verteidigt auch die Praxis, dass am Kiosk des Heims Alkohol, genau genommen Bier und Wein, verkauft wird — eine Tatsache, die den verkleideten Günter Wallraff ebenfalls sehr befremdet. Die Bewohner seien freiwillig vor Ort und könnten selber über ihre Lebensführung bestimmen, so der Verein. Es gebe auch abstinente Wohngruppen in der Einrichtung. Für viele gestrandete Menschen ist ein Heim dieser Konzeption die einzige verbliebene Zufluchtsstätte. Herrschte Alkoholverbot, würde das Klientel lieber auf der Straße leben. Das soll verhindert werden, so die Heimbetreiber. Mehr Infos zu Günter Wallraff unter

(RP)
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