Neukirchen-Vluyn Wilfried Schmickler glänzt im "Not-Behelf"

Neukirchen-Vluyn · Da die Kulturhalle gesperrt ist, gastierte Wilfried Schmickler im Sportzentrum Klingerhuf – befürchtetes Chaos blieb aus.

Alles klappte gut bei der ersten Ausweichveranstaltung im Klingerhuf, dem Auftritt des Kabarettisten.

Alles klappte gut bei der ersten Ausweichveranstaltung im Klingerhuf, dem Auftritt des Kabarettisten.

Foto: Dieker

Einige Schwarzmaler hatten das Chaos befürchtet, wenn das erste Mal eine große Veranstaltung aus der wegen mangelnden Brandschutzes gesperrte Vluyner Kulturhalle (die RP berichtete) in das Sport- und Freizeitzentrum Klingerhuf verlegt würde – Freitagabend war es so weit, Kabarettist Wilfried Schmickler trat dort auf. Die Sorgen: Reichen die Parkplätze? Ist der Raum geeignet? Gibt es lange Warteschlangen in den Pausen? Aber das Chaos blieb aus, auch wenn das Sport- und Freizeitzentrum Klingerhuf nur ein "Not-Befehl" war, wie es Franjo Terhart, der Kulturbeauftragte der Stadt Neukirchen-Vluyn, auf den Punkt brachte.

Scharfzüngig und fast schon philosophisch: Wilfried Schmickler

Scharfzüngig und fast schon philosophisch: Wilfried Schmickler

Foto: m-b

Vor dem Klingerhuf wurden alle Flächen zum Parken genutzt, ob legal, illegal oder entlang der Krefelder Straße. Der Raum war aufwändig hergerichtet mit schwarzer Bühne, Seitenverkleidungen, Lichtanlage und 460 Stühlen, die allesamt von der Kulturhalle in die Ersatz-Kulturhalle transportiert worden waren. Auch blieben lange Warteschlangen während der Pausen aus, da Birgit Hirschel, die Pächterin des Klingerhufes, für den großen Tag ihr Personal massiv aufgestockt hatte.

So blieb von den Schwarzmalern am Freitagabend nur einer übrig: Kabarettist Wilfried Schmickler. Mit seinem neuen Programm, dem er den Titel "Ich weiß es doch auch nicht" gegeben hat, glänzte der 58-jährige im "Not-Behelf". Er zeigte sich rotzfrech und teilweise bösartig – sehr zur Freude der 460 Zuhörer. Für das einstige Mitglied des "Kölner 3-Gestirns" war nichts heilig, selbst nicht der heilige Vater. Er erzählte den Witz, wie Franziskus einmal selbst den Wagen lenken wolle. Deshalb wechsle er mit seinem Chauffeur die Plätze. Anschließend schieße der Papst mit Tempo 100 durch Rom und werde von einem Polizisten angehalten. Der telefoniere nervös mit seinem Vorgesetzten. Welche hochrangige Person Beifahrer sei, wisse er als Polizist auch nicht, aber bereits der Chauffeur sei Papst.

"Der Scharfrichter unter den deutschen Kabarettisten", wie es in der Laudatio zum Prix Pantheon für ihn hieß, erzählte hingabevoll Witze mit atemberaubendem Tempo und punktgenauen Pointen. Dabei ist er im Herzen kein Witzerzähler, sondern ein Moralist und Philosoph, für den viele Witze und Gags nur Mittel sind, um seine Weltanschauung transportieren zu können. Nicht ohne Grund hört sich sein Programm "Ich weiß es doch auch nicht", mit dem der Schwarzmaler seit September durch Deutschland tourt, fast wie der Satz "Ich weiß, dass ich nichts weiß" an, der dem griechischen Philosoph Sokrates in den Mund gelegt wird.

Der Kabarettist hinterfragte und zerlegte auch in Neukirchen-Vluyn die anerkannten Grundsätze der bundesdeutschen Gesellschaft. Er kritisierte den Glauben an Wirtschaftsprognosen, die "Kommunikationskultur" im Fernsehen und den ungezügelten Kapitalismus. Am Ende stellte er kritische Fragen: "Werden Rating-Agenturen bald herabgestuft?" Die Antwort, die er am Ende seines Programms vor einem langen applaudierenden Publikum gab, lautete wie sein Programm: "Fragen Sie mich nicht. Ich weiß es doch auch nicht."

(got)
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