Wie die Moerser Autobahnpolizei den zunehmenden Güterverkehr überwacht Immer Ärger mit den großen Lastern

Moers · Trucker-Romantik? Die gibt es nur noch in Liedern von Gunter Gabriel . Am Lenkrad eines 30-Tonners regieren Zeitdruck und Konkurrenzkampf.

 Die Autobahnpolizei Moers organisiert regelmäßig Schwerpunktkontrollen wie hier auf dem Rastplatz Neufelder Heider an der A 40. Per Lasermessungen überwacht sie von Brücken aus die Abstände zwischen Lkw. Geschwindigkeitskontrollen kommen hinzu. Das grundsätzliche Problem: Bußgelder kommen billieger als Konventialstrafen bei unpünktlicher Lieferung.

Die Autobahnpolizei Moers organisiert regelmäßig Schwerpunktkontrollen wie hier auf dem Rastplatz Neufelder Heider an der A 40. Per Lasermessungen überwacht sie von Brücken aus die Abstände zwischen Lkw. Geschwindigkeitskontrollen kommen hinzu. Das grundsätzliche Problem: Bußgelder kommen billieger als Konventialstrafen bei unpünktlicher Lieferung.

Foto: Prümen, Norbert (nop)

An der Auffahrt Neukirchen-Vluyn hat Piotr (37, Name geändert, d. Red), plötzlich einen Streifenwagen vor sich, auf dem es rot blinkt: „Bitte folgen“. Auf dem nächsten Rastplatz müssen sich Fahrer und Tanklastzug einer intensiven Kontrolle stellen. Spezialisten des Gefahrgut-Dezernates 55 der Düsseldorfer Bezirksregierung arbeiten eine mehrseitige Checkliste ab. Am Ende darf Piotr nicht weiterfahren. Der mit 20.000 Litern leicht brennbarem Lösemittel befüllte Transporter trägt am Hänger einen Feuerlöscher mit längst abgelaufenem Haltbarkeitsdatum. Jemand aus der Speditionszentrale in Gladbeck muss einen neuen Feuerlöscher bringen. Jetzt.

 Christian Freidl, Wachleiter Werner Lingen und VD-Leiter Jürgen Peters (v.l.).

Christian Freidl, Wachleiter Werner Lingen und VD-Leiter Jürgen Peters (v.l.).

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Für die Hauptkommissare Jürgen Peters (56) und Christian Freidl (46) bei weitem nicht der schlimmste Verstoß des Tages. Peters leitet den Verkehrsdienst in der Wache der Autobahnpolizei Moers. Freidl arbeitet als „Fachverantwortlicher Schwerlastverkehr“. Ihr Revier ist der wilde Westen: 150 Autobahnkilometer im Dreieck zwischen Duisburg, Meerbusch und der deutsch-holländischen Grenze. Jürgen Peters freut sich aktuell über einen deutlichen Rückgang bei den Unfällen mit Verletzten in seinem Revier. „Da entwickeln wir uns 2018 entgegen dem Bundes- und dem Landestrend.“ Unterm Strich aber kommen die Experten zu einem klaren Urteil: Der Lastwagenverkehr auf A40, A42 und A57 nimmt zu, die Gesetzestreue nimmt ab.

Aus den Einsatzberichten von der Autobahn A40, in der zweiten Maihälfte 2018:

14. Mai, zwischen den Ausfahrten Mühlheim-Dümpten und Mülheim-Styrum: Ein Lkw-Fahrer verliert die Kontrolle über seinen Lastzug. Der schleudert in die Leitplanke. Der Fahrer wird verletzt.

23. Mai, bei Neukirchen-Vluyn: Ein Trucker bemerkt das Stauende in einer Baustelle zu spät. Er fährt auf den Lastwagen vor ihm auf, wird im Führerhaus eingeklemmt und schwer verletzt.

24. Mai bei Wankum: vier Lastwagen krachen an einem Stauende ineinander. Ein Fahrer stirbt, ein zweiter wird schwer verletzt.

29. Mai bei Duisburg: Ein Gefahrguttransporter zieht an der Ausfahrt Neuenkamp plötzlich nach links und rammt einen anderen Laster. Zwei Personen werden leicht verletzt.

„Der Termindruck für die Fahrer ist immens. Und: Ihr Unrechtsbewusstsein ist teilweise gar nicht vorhaben“, stellt Hauptkommissar Freidl fest. Kein Wunder, sagt er: Für die Speditionen sei es billiger, die Bußgelder der Polizei zu zahlen als die hohen Konventionalstrafen bei unpünktlicher Lieferung. „Die Fahrer nennen mir vor Ort eine Kreditkartennummer. Die Zahlung wird abgebucht. Dann fahren sie weiter.“

In Pantoffeln oder barfuß sitzen sie hinterm Steuer. Die Kaffeemaschine läuft, der Laptop zeigt die nächsten Aufträge an, das Navigationsgerät weist die Fahrtroute und das Handy klingelt: Falls etwas Unvorgesehenes passiert, kann der Fahrer nicht reagieren, nicht ausweichen oder eine Notbremsung einleiten. „Oftmals fehlen dann die entscheidenden drei, vier Meter“, sagt Freidl, aus bitterer Erfahrung. Verständigungsprobleme sind Alltag auf der Autobahn. Oft hilft nur noch ein Handy-Übersetzer. Vor kurzem erlebten es die Beamten der Moerser Autobahnpolizei, dass selbst die Auftraggeberin, eine Unternehmerin aus Hannover, den eigenen Fahrer nicht verstand. Der kam aus der Ukraine und war über eine polnische Zeitarbeitsfirma angeheuert worden.

Trotz der täglichen Verstöße wollen die Polizeibeamten nicht mit dem Finger auf osteuropäische Fahrer zeigen. „Wir Verbraucher wollen immer alles noch billiger und schneller geliefert bekommen. Wir verursachen das Problem“, sagt Freidl. Um das Tagespensum zu schaffen, werden die Fahrtenschreiber mit Magneten oder Schummelsoftware von USB-Sticks still gelegt. Hauptkommissar Peters warnt nachdrücklich vor solchen Tricksereien: „Denn damit schalten die Manipulierer auch sämtliche Assistenzsysteme wie Anstandswarner und ABS aus, die alle mit dem Fahrtenschreiber gekoppelt sind.“

Trucker Piotr hat den neuen Feuerlöscher nach mehreren Stunden bekommen. Eigentlich waren die Geräte erst in der Vorwoche gewartet worden. „Vielleicht hat ein Kollegen meinen neuen Löscher gegen seinen veralteten ausgetauscht.“ Die roten Zylinder mit dem Löschschaum hängen unverschlossen am Lkw – griffbereit, für den Notfall.

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