Engagement in Moers Vor 25 Jahren erschien „Tatort Moers“

Moers · Mit dem Buch begann eine intensive Aufarbeitung des Nationalsozialismus sowie des Widerstands in Moers und der Region. In der Sparkassen-Zentrale blickten die Akteure rund um Bernhard Schmidt zurück und nach vorn.

 Beim „Tatort Moers“-Jubiläum in der Sparkasse am Niederrhein (von links): Sparkassen-Chef Giovanni Malaponti, Lutz Hartmann (Erinnern für die Zukunft), Ulrich Kemper (Moers unterm Hakenkreuz), Kurt Jakob (Tatort Moers), Fritz Burger (Tatort Moers), Bernhard und Maren Schmidt (Erinnern für die Zukunft), Thorsten Kamp (Moers unterm Hakenkreuz), Krista Horbrügger (Moers unterm Hakenkreuz) und Siegmund Ehrmann (damals Kulturdezernent).

Beim „Tatort Moers“-Jubiläum in der Sparkasse am Niederrhein (von links): Sparkassen-Chef Giovanni Malaponti, Lutz Hartmann (Erinnern für die Zukunft), Ulrich Kemper (Moers unterm Hakenkreuz), Kurt Jakob (Tatort Moers), Fritz Burger (Tatort Moers), Bernhard und Maren Schmidt (Erinnern für die Zukunft), Thorsten Kamp (Moers unterm Hakenkreuz), Krista Horbrügger (Moers unterm Hakenkreuz) und Siegmund Ehrmann (damals Kulturdezernent).

Foto: Jörg Zimmer /SAN

An keinem anderen Ort sei die NS-Vergangenheit so gut aufgearbeitet worden wie in Moers, schrieb einmal die Krefelder NS-Dokumentationsstelle Villa Merländer. Dass dies so ist, ist maßgeblich Bernhard Schmidt, Kopf des Vereins „Erinnern für die Zukunft“ und der Moerser NS-Dokumentationsstelle, und seinen Mitstreitern zu verdanken. Am Freitag haben sie in der Moerser Zentrale der Sparkasse am Niederrhein ein besonderes Jubiläum gefeiert: Vor genau 25 Jahren, am 17. Mai 1994, war das Buch „Tatort Moers“ in der damaligen Zentralbibliothek vorgestellt worden. Bis heute ist das Standardwerk über den Widerstand und Nationalsozialismus im Altkreis Moers in drei Auflagen erschienen. „Wir haben anonyme Briefe erhalten, dass man so ein Buch nicht schreiben sollte“, erinnerte sich Schmidt an die Widerstände. Es habe auch Stimmen gegeben, die bezweifelten, dass es im Altkreis Moers überhaupt Widerstand gegen die Nazis gegeben habe. „Wir wissen heute, dass an die 1000 Leute verhaftet wurden“, sagte Schmidt zu diesem Thema.

Der Buchveröffentlichung folgten – unter anderem – die Gründung von „Erinnern für die Zukunft“ (1995), Einladungen von ehemaligen Zwangsarbeitern in die Grafschaft, die Konzeption erfolgreicher Ausstellungen („Widerstand und Neubeginn im Altkreis Moers“, „Flucht vom Niederrhein“), die Errichtung eines Mahnmals zu Ehren der Kreis Moerser Widerständler, die Gründung der Initiative „Wir sind bunt, nicht braun“ und die Verlegung von bis heute 92 Stolpersteinen in Moers zum Gedenken an Opfer der Nazis. Und es folgten weitere Publikationen, so 2008 „Moers unterm Hakenkreuz“ mit zahlreichen Dokumenten aus Widerstandsfamilien und von ehemaligen Zwangsarbeitern – im Jahr 2011 erschien das Buch auch in russischer Übersetzung. Der heutige Technische Beigeordnete der Stadt Moers, Thorsten Kamp, verfasste für die Dokumentation einen 100-seitigen Beitrag über Architektur und Städtebau unterm Hakenkreuz. Kamp war noch Schüler am Julius-Stursberg-Gymnasiums in Neukirchen-Vluyn gewesen, als in den 1990er Jahren sein Interesse für die NS-Vergangenheit der Region geweckt wurde. „Schuld“ daran waren seine Geschichtslehrer Ulrich Kemper und Krista Horbrügger, die bereits 1991/92 über Zwangsarbeitern der Zeche Niederberg geforscht hatten.

Bis heute zählen Horbrügger und Kemper zum Kreis der Aktiven um Bernhard Schmidt. Kemper berichtete, wie bedrückend es sein kann, sich mit den Biographien von NS-Opfern zu beschäftigen. „Man hat ständig mit Trauer und größtem Leid zu tun. Wenn man etwas feinfühlig ist, hakt man das nicht einfach ab.“ Und Fritz Burger, Ko-Autor von „Tatort Moers“, berichtete von der Wut auf den damaligen „hochgelobten Chefarzt von Bethanien“, die ihn befiel, als er Akten von Frauen einsah, die zwangsweise sterilisiert wurden.

Das Silberjubiläum von „Tatort Moers“ war auch ein Anlass, in die Zukunft zu schauen. Das Alte Landratsamt wird bald zu einer Dokumentationsstätte der Demokratie in Moers nach 1900. Eine Buchveröffentlichung über „Krankenmorde“ ist in Vorbereitung, noch vorher soll ein Buch mit Biographien zu allen Moerser Stolpersteinen erscheinen. Weitere Stolpersteine werden bald verlegt, die nächsten schon Ende Mai – wie immer unter Beteiligung von Moerser Schülern. Kurt Jakob, ehemals Geschichtslehrer am Gymnasium Filder Benden, betonte, wie wichtig die Aufarbeitung lokaler Geschichte ist. „Man erreicht eine ganz andere Aufmerksamkeit bei den Schülern.“

„Tief beeindruckt“, zeigte sich Sparkassen-Chef Giovanni Malaponti von der vorbildlichen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Moers und der Region. Das Geldinstitut hat daran seinen Anteil: Es hat „Tatort Moers“ und andere Projekte finanziell unterstützt. „Wir wissen, was wir an der Sparkasse haben“, dankte Bernhard Schmidt. „Und auch an der Enni.“ Sie sorge kostenlos für die fachmännische Verlegung der Stolpersteine.

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