Moers Verkehrserziehung mit Schocktherapie

Moers · Ein Jugendlicher, der betrunken mit seinem Roller einen Unfall baute, musste jetzt einen Durchblicker-Kursus besuchen. In den Kursen werden schockierende Unfallszenen nachgestellt und die jungen Leute gefordert, richtig zu handeln.

 Teil eins des Kurses soll die Jugendlichen ob der realistischen Szenen abschrecken. Teil zwei heißt Polizei live – darin lernen die jungen Leute die Arbeit der Polizei kennen und können unter anderem eine Arrestzelle besichtigen.

Teil eins des Kurses soll die Jugendlichen ob der realistischen Szenen abschrecken. Teil zwei heißt Polizei live – darin lernen die jungen Leute die Arbeit der Polizei kennen und können unter anderem eine Arrestzelle besichtigen.

Foto: Lameyer

Ein Jugendrichter des Amtsgerichts Moers hat jetzt einen 18-Jährigen zu einem "Durchblicker-Kursus" verurteilt — ein Lehrgang, bei dem Jugendlichen mit zum Teil drastischen Mitteln die Folgen ihres Fehlverhaltens vor Augen geführt wird. Der junge Moerser war betrunken mit seinem Motorroller auf der Düsseldorfer Straße in einen Pkw gefahren. Der Schaden: knapp 5000 Euro. Der 18-Jährige musste seinen Führerschein für ein Jahr abgeben und den "Durchblicker-Kursus" besuchen. Die Teilnahme hatte die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe vorgeschlagen.

Ute Schlüpner vom Caritasverband Moers-Xanten ist eine von vielen Sozialpädagogen und -pädagoginnen, die Jugendliche und Heranwachsende im Strafverfahren begleiten. Sie sieht sich als Vermittlerin zwischen Jugendlichem und Gericht. Wenn nicht nach dem Erwachsenenstrafrecht geurteilt wird, stehen nämlich erzieherische Aspekte im Vordergrund. Pädagogische Maßnahmen müssen jeweils passend zum Jugendlichen gefunden werden. Der "Durchblicker-Kursus" sei eine Möglichkeit, junge Menschen zum Nachdenken zu bewegen. "Damit sind sie viel eher zu erreichen als mit Geldbußen oder Sozialstunden", sagt Schlüpner. "Schon vor Jahren entstand die Idee, etwas zu konzipieren, das einen engen Bezug zur Tat hat."

Was läge da näher, als richtig schockierende Unfallszenarien professionell nachzustellen? Damit die Bilder lange im Gedächtnis bleiben, wird auch mit Spezialeffekten gearbeitet. Das Rote Kreuz aus Rheinberg schickt ein Schminkteam, das Opfer für den nachgestellten Unfall herrichtet. Die "Verletzten" liegen im Garten oder Parkhaus des Sankt Josef-Krankenhauses. Unfallopfer mit blutenden Wunden oder Glassplittern im Arm. Opfer, die unter Schock stehen, müssen von den Teilnehmern versorgt werden.

Das wirkt so echt und eindrucksvoll, dass Passanten tatsächlich schon einmal den Notruf betätigten. Eine Gruppe der Teilnehmer muss dann den Hergang beobachten, die andere agiert.

"Die Idee war, mal die andere Seite zu schildern", sagt Ute Schlüpner. Zu dem Kursus gehören auch einige Erste-Hilfe-Einheiten. Ein Mitarbeiter aus der Unfallambulanz berichtet außerdem vom Arbeitsalltag. Die Jugendlichen erfahren, wie lange ein Krankenwagen durchschnittlich braucht, um zum Unfallort zu gelangen und wie richtig beatmet wird.

Der zweite Teil des Kurses heißt "Polizei live". "Wie arbeitet die Polizei?" und "Wie sieht eine Arrestzelle von Innen aus?" sind einige Fragen, die vor Ort beantwortet werden. Durch Rauschbrillen können die Jugendlichen außerdem ihre Umgebung sehen, als hätten sie getrunken oder Drogen genommen. Dazu gibt es Fotos, Dokumentationen und Filme von Unfällen.

Solche drastischen Bilder prägten sich ein, betont Ute Schlüpner — selbst, wenn die Einsicht nicht ewig halten sollte.

(bil)
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