Moers/Kreis Unternehmen ringen um Auszubildende

Moers/Kreis · Heute beginnt das neue Ausbildungsjahr. Obwohl sich in Moers 1171 Bewerber auf die gemeldeten 620 Stellen beworben haben, bleiben viele Stellen vorläufig unbesetzt. Besonders im Handwerk gibt es noch viele freie Ausbildungsplätze.

 Heike Marschmann (l.) und Ausbilder Jonas Barthen (r.) stehen ihren Auszubildendenden Annika Greiner mit gutem Rat zur Seite.

Heike Marschmann (l.) und Ausbilder Jonas Barthen (r.) stehen ihren Auszubildendenden Annika Greiner mit gutem Rat zur Seite.

Foto: Klaus Dieker

wesel Malermeister Volker Marschmann kennt die Probleme, die viele seiner Kollegen plagen, nicht. "Für das neue Ausbildungsjahr haben wir drei Azubis eingestellt, damit sind alle Stellen besetzt", sagt Marschmann, der das gleichnamige Familienunternehmen bereits in dritter Generation führt. Bei vielen seiner Kollegen sieht es nicht so rosig aus. Weil viele Betriebe kaum noch Bewerber finden, bilden einige schon seit Jahren nicht mehr aus. Das weiß auch Kreishandwerksmeister Günter Bode. Er sagt: "Früher hatten wir pro Stelle 20, 30 Bewerbungen, das ist schon lange nicht mehr so."

Eine ähnliche Situation beschrieben die aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Im Kreis Wesel bleiben derzeit 725 Lehrstellen unbesetzt. Das Paradoxe daran: Es gibt fast doppelt so viele Bewerber, als Lehrstellen zur Verfügung stehen. Im Kreisgebiet bewarben sich im zurückliegenden Jahr 3980 Bewerber auf 2450 Stellen, in der Stadt Moers 1171 Bewerber auf 620 Stellen. Rein rechnerisch könnte also jede Stelle doppelt besetzt sein.

Dass die Realität gerade im Handwerk anders aussieht, hat für Bode mehrere Gründe. "Die Erwartungen und die Realität stehen bei den Bewerbern oft in keinem Verhältnis", sagt er. Das heißt: Viele Bewerber bringen für die gewünschten Berufsfelder nicht die nötigen Noten mit, darüber schimpfen die meisten Betriebe. Eine andere Rolle spielt die sinkende Attraktivität des Handwerks. "Das Handwerk ist bei den jungen Leuten einfach nicht mehr attraktiv." Auch das ist paradox. Denn wohl nie waren die Zukunftschancen in Handwerksberufen so gut wie zurzeit. "Viele Betriebe suchen händeringend nach Nachwuchs, wenn sie keinen finden, müssen sie schließen", sagt Bode. "Teilweise sind die Betriebe total überaltert."

Trotz der blendenden Aussichten ist eine Lehre im Handwerk unbeliebt. Das wissen auch Volker Marschmann und seine Frau Heike, die sich in der Firma mit einer halben Stelle um die Auszubildenden kümmert. "Handwerksberufe sind momentan nicht so angesagt, das sehen wir auch an den Bewerberzahlen. Körperliche Arbeit, man macht sich die Hände dreckig, das passt vielleicht nicht in die Zeit", sagt Marschmann. Schwer haben es besonders Bäcker und Bäckereiverkäuferinnen, Köche und Friseure. Allein in diesen drei Handwerksberufen bleiben kreisweit 169 Stellen unbesetzt, auch wegen der zum Teil schwierigen Arbeitszeiten. Auch die vergleichsweise geringe Entlohnung trägt zu den geringen Bewerberquoten bei. Ein Malerlehrling verdient im ersten Lehrjahr gerade einmal 480 Euro, im letzten Jahr 665. Gut ausgebildete junge Menschen sehen deswegen immer mehr vom Handwerk ab, sagt auch Volker Marschmann, der eine Lösung für dieses Problem fordert.

Trotz der Problemsituation findet er immer wieder gute Bewerber. "Wir erleben viel Leistungsbereitschaft", sagt er. Sein Geheimrezept: "Man muss sich bei der Auswahl der Bewerber mehr Mühe geben und auch mal von schlechteren Noten absehen." Außerdem sei es wichtig, die Auszubildenden heute mehr an die Hand zu nehmen, als noch vor Jahren. "Auf die neuen Bedürfnisse müssen sich auch die Arbeitgeber einstellen. Und wenn es angebracht ist, auch mal ein Auge zudrücken", sagt Heike Marschmann.

(RP)
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