TÜV Nord in Moers Fragen und Antworten zur AdBlue-Krise

Moers · Seit Jahresbeginn 2022 haben sich die Kosten für den Diesel-Treibstoffzusatz vervielfacht. Wer betroffen ist, was eine Mangellage bedeutet und ob es Alternativen gibt: Torsten Frücht vom TÜV Nord in Moers beantwortet die wichtigsten Fragen.

 Viele moderne Dieselautos, aber auch Lkw und Busse sind auf den Zusatzstoff AdBlue angewiesen.

Viele moderne Dieselautos, aber auch Lkw und Busse sind auf den Zusatzstoff AdBlue angewiesen.

Foto: dpa-tmn/Julian Stratenschulte

Die Logistikbranche sowie Fahrerinnen und Fahrer neuerer Diesel schauen seit Monaten gebannt auf den Preis von AdBlue. Seit Jahresbeginn 2022 haben sich die Kosten für den Treibstoffzusatz vervielfacht. Betroffen sind rund zehn Prozent der Personenkraftwagen in Deutschland, und nahezu jeder Lastkraftwagen fährt mit der gesetzlich vorgeschriebenen Lösung. Auch Dieselbusse – zum Beispiel der Niag – brauchen grundsätzlich den Zusatzstoff. Torsten Frücht, Leiter der ‚TÜV Nord’-Station in Moers-Hülsdonk beantwortet die wichtigsten Fragen rund um den Dieselreiniger.

Warum ist AdBlue so teuer geworden? Die Preisexplosion liegt an den steigenden Kosten für Erdgas, denn das ist für die Herstellung von AdBlue nötig: Aus einem Kilo des fossilen Rohstoffs gewinnt man etwa einen Liter AdBlue. Für die Hersteller rentiert sich die Produktion aber kaum noch. Die SKW-Stickstoffwerke Piesteritz aus Wittenberg (Sachsen-Anhalt) hatten die Erzeugung des Dieselzusatzes sogar zwischenzeitlich eingestellt.

Was genau ist AdBlue? AdBlue besteht zu 32,5 Prozent aus synthetisch hergestelltem Harnstoff und zu 67,5 Prozent aus destilliertem Wasser. Die bläulich schimmernde Flüssigkeit zahlt auf den Umweltschutz ein, da sie bei der selektiven katalytischen Reduktion den StickoxidAusstoß von Dieselfahrzeugen um bis zu 90 Prozent reduziert. AdBlue wird aus einem Extra-Tank gezielt in den Abgasstrom eingespritzt. Durch die Hitze zersetzt sich der Harnstoff in Ammoniak. Dieses wiederum reagiert im SCR-Katalysator mit den Stickoxiden und wandelt sie in harmlosen Stickstoff sowie Wasserdampf um. Das System macht es möglich, dass Dieselfahrzeuge den vorgeschriebenen Ausstoß von höchstens 80 Gramm Stickoxid auf 100 Kilometern einhalten und trotzdem spritsparend unterwegs sind.

Wie weit kommt man mit einem Liter AdBlue? Der Verbrauch hängt von der Fahrweise, dem Modell und den Verkehrsbedingungen ab. Laut Herstellerangaben benötigen Diesel-Pkw etwa 1 bis 1,5 Liter auf 1000 Kilometern. Blinkt die Warnleuchte auf, hat man in der Regel noch einen Puffer von 2000 Kilometern, bis der Tank völlig leer ist.

Droht ohne AdBlue der Stillstand? Laut Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) verbrauchen Lastkraftwagen auf deutschen Straßen bis zu fünf Millionen Liter AdBlue pro Tag. Ein Mangel der Lösung kann weitreichende Folgen auf die Lieferketten haben. Davon ist derzeit aber nicht auszugehen. Läuft allerdings der AdBlue-Tank während der Fahrt trocken, wechselt die Bordelektronik in den „Kriech-Modus“, sodass Fahrende nur noch mit gedrosselter Leistung bis zur nächsten Tankstelle kommen. Ist der Motor einmal aus, lässt er sich ohne den Zusatz nicht mehr starten.

Warum ist AdBlue tanken aus dem Kanister teurer als an der Zapfsäule? Aus dem Kanister ist das Befüllen des AdBlue-Tanks ähnlich einfach wie das Auffüllen des Wischwassers. Allerdings ist die Lösung aus der Flasche deutlich teurer als an der Zapfsäule. Denn: Bis die Flüssigkeit im Behälter ist und in den Verkaufsregalen steht, sind deutlich mehr Arbeitsschritte nötig, als lediglich die Treibstofflager einer Tankstelle aufzufüllen. Außerdem sind die Plastikflaschen nicht nur kostspieliger, sondern auch aus Umweltgründen kritisch zu betrachten. Am einfachsten findet man die nächste AdBlue-Zapfsäule mithilfe von Apps unabhängiger Anbieter.

Kann man AdBlue selbst herstellen? Auch wenn es der Name nahelegt, mit Urin hat das synthetische Produkt wenig gemein: Harnstoff ist im Urin nur in sehr geringer Konzentration enthalten. Die für die Stickoxid-Umwandlung nötige Menge herauszufiltern ist unmöglich.

Sind No-Name-Produkte
eine Alternative? AdBlue ist ein eingetragenes Warenzeichen des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). Nur Produkte mit dem offiziellen AdBlue-Schriftzug gewährleisten, dass die Normen ISO 22241-1 bis 22241-4 erfüllt sind. Die Verwendung von No-NameProdukten kann den SCR-Katalysator und andere wichtige Bauteile beschädigen − zudem ist die Herstellergarantie gefährdet.

Kann man den AdBlue-Tank mit Wasser austricksen? Wasser in den Tank zu füllen oder die blaue Flüssigkeit damit zu verdünnen, mag das Bordsystem vielleicht kurzfristig überlisten. Aber es kann zu Funktionsstörungen des SCR-Systems und zum Erlöschen der Herstellergarantie führen.

Wie lagert man AdBlue? Ein AdBlue-Vorrat für die nächsten Jahre ist überflüssig: Das Produkt ist kaum mehr als ein Jahr haltbar, dann zersetzt es sich, erfüllt nicht mehr seinen Zweck und kann der Technik sogar schaden. Gegen ein paar Extra-Liter im Keller oder der Garage spricht aber nichts. Die Flüssigkeit sollte an einem dunklen sowie gut belüfteten Ort stehen und vor Temperaturen über 30 Grad geschützt werden. Die ideale Lagertemperatur liegt zwischen -5 und 20 Grad.

Kann man AdBlue deaktivieren? AdBlue zu deaktivieren ist in Europa illegal – auch, wenn es technisch möglich ist. Und es ist kein Kavaliersdelikt: Eine Manipulation stellt einen ernsthaften Verstoß gegen den Umweltschutz dar und wird mit hohen Geldstrafen geahndet. Zudem erlischt mit der Einflussnahme auf das System die Betriebserlaubnis.

 Torsten Frücht leitet die ‚TÜV Nord’-Station in Moers-Hülsdonk.

Torsten Frücht leitet die ‚TÜV Nord’-Station in Moers-Hülsdonk.

Foto: Tüv Nord

Wo erfährt man mehr über AdBlue? Auf der Homepage von TÜV Nord. Unter www.tuev-nord.de/adblue gibt es einen ausführlichen AdBlue-Ratgeber mit vielen weiteren Informationen zu dem blauschimmernden Dieselzusatzstoff.

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