Neukirchen-Vluyn Traditions-Metzgerei gibt Geschäft auf

Neukirchen-Vluyn · Mit Wehmut geben Mutter Ruth und Tochter Barbara das Geschäft an der Hochstraße auf. Die Stammkundschaft reagiert betroffen.

 Barbara und Ruth Mevissen hinter der Kühltheke im Geschäft. Seit dem 31. August ist die Ladentür geschlossen.

Barbara und Ruth Mevissen hinter der Kühltheke im Geschäft. Seit dem 31. August ist die Ladentür geschlossen.

Foto: Klaus Dieker

Noch hängen zwei Dauerwürste am Haken, in den Regalen stehen Pakete mit Nudeln, und auf dem Holzklotz liegt ein Messer. Man könnte glauben, die Metzgerei Mevissen habe lediglich zum Feierabend die Kühltheke leer geräumt. Doch der Laden an der Hochstraße 16 wird sich für die Kundschaft nicht mehr öffnen. Seit dem letzten Augusttag ist das Fleischergeschäft ein Stück Ortsgeschichte.

Und diese Geschichte reicht weit zurück. Ende des 17. Jahrhunderts, erzählt Tochter Barbara, seien die Mevissens schon in Urkunden an dieser Stelle erwähnt worden. "Und schon damals war von Viehhandel die Rede." Die Fleischereitradition ist also sehr alt, kein Wunder, dass Ruth Mevissen und ihrer Tochter die Entscheidung, das Geschäft zu schließen, schwer gefallen ist. Doch für das Traditionshandwerk in der Fleischereibranche sind die Zeiten schwer geworden. "Das Einkaufsverhalten der Leute hat sich geändert", sagt die Mutter. "Unsere Stammkundschaft wurde immer älter." Und dann erhielt der Familienbetrieb direkt vor der Haustür unerwartete Konkurrenz. "Auf dem Wochenmarkt waren plötzlich zwei Fleischerstände vertreten." Und das am Freitag, dem wichtigsten Geschäftstag. Die Stadt hatte das erlaubt. Kein Wunder, dass die beiden Frauen auf das Rathaus derzeit nicht gut zu sprechen sind.

Die Schließung der Metzgerei bedeutet das Ende für einen Treffpunkt im Dorf, wo man ein wenig plauderte oder für einen Moment Platz nehmen konnte. Für viele Kunden kam die Nachricht von der Geschäftsaufgabe ganz unerwartet. "Die Leute haben angerufen, Karten und Blumen geschickt", sagt Ruth Mevissen gerührt. "Wir möchten unseren Kunden danken, die uns so lange die Treue gehalten haben."

Auch die "kleinen Leckereien", mit denen die Familie jahrzehntelang Feiern im Umkreis beliefert hat, wird es künftig nicht mehr geben. Noch immer ist die Senior-Chefin auf den guten Ruf dieser Buffets stolz. "Dafür brauchten wir nie Werbung zu machen. Das lief alles über ,Flüsterpropaganda'", erzählt sie. Klassiker waren der warme Kartoffelsalat, die selbst erfundenen Käseröllchen und die berühmten Schweineschnitzel. "Für die Schnitzel habe ich ein Geheimrezept, das mir ein englischer Besucher verraten hat", erzählt die 73-Jährige. "Dadurch wurden sie besonders zart." Dieses Geheimnis wird nicht ausgeplaudert, es soll in der Familie bleiben. Immerhin ist auch Barbara Mevissen gelernte Fleischerin. Sie hat mittlerweile eine Stelle in einem Metzgerin geschäft in Aldekerk angetreten.

Fürs erste wird sich in dem Haus an der Hochstraße nichts ändern. Geschäft und Wohnung sind in dem alten Gebäude eng verbunden. Daher hat Ruth Mevissen beschlossen, erst einmal alles zu belassen, wie es ist, und die Räume nicht zu verpachten.

(RP)
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