Tödliches Autorennen in Moers Fünf Jahre Haft statt lebenslänglich für Raser

Moers/Duisburg · Ostern 2019 starb eine 43-Jährige, weil sie mit ihrem Kleinwagen in ein Autorennen geriet. Zweimal hob der BGH Urteile gegen den Haupttäter auf. In Duisburg stand der 25-Jährige jetzt zum dritten Mal vor Gericht.

Moers: Unbeteiligte Frau stirbt nach mutmaßlichem Autorennen in Moers
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Unbeteiligte Frau stirbt nach mutmaßlichem Autorennen in Moers

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Diesmal gibt es keinen Jubel aus dem Zuschauerraum. Im Prozess um ein illegales Autorennen auf der Bismarckstraße in Moers-Meerbeck, bei dem am Ostermontag 2019 eine 43 Jahre alte Frau ums Leben kam, hat das Landgericht Duisburg den Haupttäter am Montag erneut wegen der Teilnahme an einem illegalen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge zu fünf Jahren Haft verurteilt. Für den 25-Jährigen heißt das, dass er demnächst noch einmal für einen – wenn auch kurzen – Zeitraum ins Gefängnis muss.

Das Urteil ist der dritte Versuch der Justiz, das tragische Geschehen, bei dem eine Familie an einem Abend im April innerhalb weniger Sekunden die Mutter, Ehefrau und Tochter verlor, aufzuarbeiten und zu einem juristischen Abschluss zu bringen. Zweimal wurden Urteile des Landgerichts Kleve vom Bundesgerichtshof aufgehoben. Die Anklage der Staatsanwaltschaft lautete von Beginn an auf Mord.

Vor dem Duisburger Landgericht wurde zum dritten Mal gegen den Hauptangeklagten (Mitte) verhandelt. Die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen den 25-Jährigen lautete auf Mord.

Vor dem Duisburger Landgericht wurde zum dritten Mal gegen den Hauptangeklagten (Mitte) verhandelt. Die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen den 25-Jährigen lautete auf Mord.

Foto: Julia Hagenacker

Im Februar 2020 verurteilte das Klever Landgericht den Moerser, der mittlerweile in Duisburg wohnt, zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Gegen die Entscheidung legte die Verteidigung Revision ein, der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf.

Im Juni 2021 wurde der Fall deshalb erneut vor dem Landgericht Kleve verhandelt. Und diesmal entschied die Kammer nicht auf Mord, sondern verurteilte den Angeklagten wegen Teilnahme an einem illegalen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge zu vier Jahren Haft.

Im Februar hob der Bundesgerichtshof (BGH) dann auch dieses Urteil wegen Widersprüchen in der Begründung wieder teilweise auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Duisburg. Dort hatten die Richter nunmehr klipp und klar zu klären, was damals im Kopf des Angeklagten vorging.

Tödliches Autorennen in Moers​: Trauer um 43 Jahre alte Mutter​
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Trauer um 43 Jahre alte Mutter

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Foto: dpa/Marius Becker

Einen bedingten Tötungsvorsatz, also das für die Erfüllung des Mord-Tatbestands nötige „den Tod billigend in Kauf nehmen“, das „sich damit abfinden, dass jemand stirbt“, konnte auch die Schwurgerichtskammer in Duisburg am Ende nicht sicher feststellen.

Der Fall sei vielmehr der klassische Fall des verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge, sagte der Vorsitzende Richter Mario Plein in der Urteilsbegründung. Was der Angeklagte gemacht hat, sei zwar eine höchstgefährliche Sache gewesen. Allerdings, so Plein weiter, habe das Geschehen nicht von vorneherein die Schädigung eines Menschen zum Gegenstand gehabt. Wer ein solches Autorennen mit bedingtem Tötungsvorsatz fahre, nehme nach allgemeiner Rechtsauffassung in der Regel auch billigend in Kauf, selbst dabei getötet zu werden, so der Vorsitzende. Dafür gebe es in diesem Fall aber keine Anhaltspunkte: Die Rennstrecke mitten im Wohngebiet sei kurz gewesen, der Angeklagte habe darauf vertraut, dass er sich auf einer Vorfahrtsstraße befindet und sich andere Verkehrsteilnehmer an die Regelungen halten. „Wir sind davon überzeugt, dass er darauf vertraut hat, dass es womöglich zu kritischen Situationen, nicht aber zu einer Kollision kommt“, so Plein weiter. Er sei der fälschlichen Meinung gewesen, dass er das schon schafft.

 Am Ostermontag 2019 gerät eine 43 Jahre alte Frau aus Meerbeck in ein Autorennen auf der Bismarckstraße. Der hintere Teil ihres Kleinwagens wird komplett zerstört. Die zweifache Mutter überlebt den Unfall nicht.

Am Ostermontag 2019 gerät eine 43 Jahre alte Frau aus Meerbeck in ein Autorennen auf der Bismarckstraße. Der hintere Teil ihres Kleinwagens wird komplett zerstört. Die zweifache Mutter überlebt den Unfall nicht.

Foto: Polizei Duisburg

Zum Hintergrund: Beim Abbiegen aus einer untergeordneten Seitenstraße hatte die zweifache Mutter an besagtem Abend ein Stop-Schild überfahren und war mit dem 612 PS starken Mercedes AMG des Angeklagten zusammengestoßen. Der heute 25-Jährige, der keinen Führerschein besaß, weil er viermal durch die theoretische Prüfung fiel, war an diesem Abend mit bis zu 167 km/h auf der Gegenfahrbahn in der 50er-Zone unterwegs. Die 43-Jährige wurde so schwer verletzt, dass sie noch am Unfallort das Bewusstsein verlor und drei Tage später im Krankenhaus starb.

Nach der Kollision, bei der Citroën des Opfers völlig zerstört wurde, stellte der damals 22-Jährige den von seiner Familie geleasten Wagen ab und lief weg, ohne sich um die Schwerverletzte zu kümmern. Danach versteckte er sich acht Tage lang, bis er sich – einen Tag nachdem ein Haftbefehl wegen Mordes gegen ihn erging – begleitet von einem Anwalt den Behörden stellte.

Heute, sagt er, bereue er, was er damals getan habe: „Ich hätte mich nie in dieses Auto setzen dürfen“, erklärte er am Montag vor Gericht. Und: „Ich wünschte, ich könnte alles ungeschehen machen; ich wünschte, dass ich bei dem Unfall gestorben wäre. Ich kann das alles nicht rückgängig machen, aber ich entschuldige mich bei der Familie des Opfers – aus tiefstem Herzen.“

Die Verteidigung hatte für den Duisburger zwei Jahre Haft wegen fahrlässiger Tötung gefordert – auch wegen der „unerträglich langen Verfahrensdauer“. Über drei Jahre lang habe der Angeklagte immer mit der Gefahr vor Augen gelebt, womöglich doch noch zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt zu werden, sagte sein Verteidiger.

2021 wurde der heute 25-Jährige nach zwei Jahren und zwei Monaten Untersuchungshaft unter Corona-Bedingungen unter Applaus aus dem Gerichtspublikum in die (vorübergehende) Freiheit entlassen. Eine Fahrerlaubnis darf ihm nicht vor Ablauf von fünf Jahren ausgestellt werden.

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