Unsere Woche Symbolische Verbrecherjagd

Moers · Mehr als 20 vollstreckte Haftbefehle, über 400 Ordnungswidrigkeitsanzeigen: Das ist die Bilanz einer Großrazzia, der Kreispolizei am vergangenen Mittwoch.

In den vergangenen Monaten hat die Kreispolizeibehörde Wesel mit einer Reihe von Großaktionen auf sich aufmerksam gemacht. Mal waren die wie der Blitzmarathon oder die Fahndung nach Einbrecherbanden von oben - sprich durch Innenminister Ralf Jäger (SPD) - angeordnet, mal hatte die Kreispolizeibehörde eigenem Bekunden nach für sich entschieden, ganze Hundertschaften an einem Tag auf die Straße zu schicken. Jüngste Beispiele: Die Aktionen an der Lintforter Straße, der Homberger Straße und in der Flüchtlingsunterkunft an der Franz-Haniel-Straße. Eine Woche zuvor hatten zahlreiche Uniformierte in Xanten Rocker zu einer Fete begleitet.

Als Bürger könnte man nun sagen: Toll, dass die Polizei Flagge zeigt, und genau dieser Effekt ist auch beabsichtigt. Wie Polizisten selbst einräumen, geht es bei diesen Aktionen vor allem um das subjektive Sicherheitsgefühl des Bürgers, das in Deutschland in den vergangenen Jahren bedrohter zu sein scheint als das Fortleben des Auerhahns im Sauerland. Es ist ja auch grundsätzlich in Ordnung, dass nicht nur Politiker, sondern auch die Ordnungshüter die Befindlichkeiten des Bürgers berücksichtigen. Bedenklich stimmt aber, dass dieser Aspekt so stark in den Vordergrund rückt, dass die Effektivität der Kriminalitätsbekämpfung auf der Strecke bleibt.

So wurden bei der jüngsten Aktion im Kreisgebiet zwar fast zwei Dutzend Personen entdeckt, die mit Haftbefehl gesucht wurden. Dabei dürfte es sich aber um kleine Fische gehandelt haben, da die meisten nach Zahlung einer Geldbuße wieder auf freien Fuß gesetzt wurden. Die Durchsuchung des Moerser Asylbewerberheims brachte sogar überhaupt keinen Ertrag.

Noch bescheidener fielen die Großaktionen der Polizei gegen Rocker in Xanten und in Kamp-Lintfort aus. Bei jeder Razzia vor einer Disko wäre vermutlich mehr herausgekommen. Das stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Polizeivertreter klagen zu Recht über Überalterung und knappe Personalressourcen. Diese Klagen vertragen sich aber schlecht mit dem Aufwand, der bei solchen Großaktionen betrieben wird. Die Mannstunden, die dabei drauf gehen, müssen ja irgendwo wieder eingespart werden. Und das vermutlich in Bereichen, in denen der Bürger mehr von ihnen hätte. Zudem droht noch eine andere Gefahr: Wenn bei Blitzmarathons oder Rocker-Razzien wenig herauskommt, könnte das den Eindruck erwecken, es gäbe gar kein Problem mit Rasern oder kriminellen Rockern. Will man das?

Ein schönes Wochenende! juergen.stock@rheinische-post.de

(RP)
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