Moers Stauforscher diskutiert mit Gymnasiasten

Moers · Prof. Michael Schreckenberg, prominenter Verkehrswissenschaftler von der Uni Duisburg-Essen, beantwortete gestern Fragen von Schülern und Schülerinnen des Grafschafter Gymnasiums.

 Michael Schreckenberg (rechts) mit den Schülern Felix Justka und Jessica Klein, die gestern das Gespräch leiteten.

Michael Schreckenberg (rechts) mit den Schülern Felix Justka und Jessica Klein, die gestern das Gespräch leiteten.

Foto: Christoph Reichwein

Wie lang war der längste Stau in Deutschland? 170 Kilometer, im Juli 1993 auf der A 7 vor der dänischen Grenze. Und wie alt ist der Käufer eines Neuwagens in Deutschland im Schnitt? 53,3 Jahre! Es waren nicht zuletzt solche "Quizfragen", die Michael Schreckenberg seinem Publikum stellte, die gestern für zwei kurzweilige Schulstunden in der Aula des Grafschafter Gymnasium sorgten. Eigentlich war Schreckenberg, Professor für Physik von Transport und Verkehr an der Uni Duisburg-Essen, natürlich eingeladen worden, um selbst Fragen im Rahmen der Reihe "Grafschafter Gymnasium im Gespräch" zu beantworten. Einige Schüler hatten sich im Sozialwissenschaften-Unterricht auf den Besuch des prominenten Stau- und Panikforschers vorbereitet.

Schreckenberg zeichnete von sich das Bild eines akademischen Weltreisenden: hier eine Konferenz in Boston, da ein Vortrag in der Schweiz, Morgen im Max-Planck-Institut München, dann wieder ein Drehtag mit dem NDR auf der CeBIT. Er habe die Pkw-Maut mit entwickelt, er habe das Sicherheitskonzept fürs Fußball-WM-Endspiel in Berlin gemacht, und, und, und . . .

Wie man Staus verhindern kann? "Das einfachste Mittel ist, den Verkehr zu verbieten", meinte der 59-Jährige, um schließlich zwei andere Lösungen anzubieten: Bessere Information der Autofahrer (damit nicht alle dieselbe Route nehmen) sowie vor allem eine Vernetzung von Fahrzeugen per W-Lan. Autos müssten synchron beschleunigen, bremsen oder die Spur wechseln. "Bis es soweit ist, wird es aber noch einige Zeit dauern."

Autonom fahrende Autos seien die Zukunft. Die Bundesregierung investiere 40 Millionen Euro in ein entsprechendes Programm. Mehr autonome Fahrzeuge bedeuteten auch weniger Unfälle. Die Mehrzahl der 2,4 Millionen Verkehrsunfälle gehe auf Ablenkung der Fahrers zurück. Apropos: Was sorgt statistisch betrachtet für die meiste Ablenkung? Nein, nicht das Handy (auch wenn es durchaus ein Problem darstelle), sondern der Beifahrer!

Interessant waren Schreckenbergs Gedanken zur künftigen Bemessung der Kfz-Versicherung: Daten über die Fahrer und deren Fahrverhalten könnten drahtlos kontinuierlich an die Versicherung durchgegeben werden, die danach die Höhe des Beitrags errechnet. Die Frage sei, wie viele Daten Autofahrer von sich preisgeben wollen. Er selbst plädierte zudem dafür, Fortbildungen für Führerscheininhaber einzurichten, und diejenigen, die sich fortbilden, bei der Versicherung zu entlasten. Die KfZ-Steuer sähe der Experte am liebsten ganz abgeschafft und durch die Pkw-Maut ersetzt. Und die Lkw-Maut? Dass deren Daten nach drei Monaten gelöscht werden, sei ein Unding. Die Wissenschaft brauche diese, um Lkw-Routen zu untersuchen und daraus Erkentnisse zur Straßensanierungen zu gewinnen. "Ein Lkw nutzt die Straße 60.000 Mal stärker ab als ein Pkw."

Was Großveranstaltungen wie die Loveparade angeht, sei nicht die Panik der Menschen die Gefahr. Panik sei lediglich das Resultat einer zu hohen Menschendichte. Wenn die Menge anfange zu "drücken" und es am anderen Ende zum Beispiel wegen einer Absperrung nicht weitergeht, ist die Gefahr groß. "50 Menschen erzeugen eine Tonne Druck. Das können Sie nicht überleben."

Aufschlussreich auch die Ausführungen über Evakuierungen. Ein Flugzeug müsse in 90 Sekunden, ein Stadion in acht Minuten, ein Schiff in 60 Minuten evakuierbar sein. Bei Simulationen unter besonderen Bedingungen klappe dies auch, im echten Katastrophenfall eher nicht. Aber, so Schreckenberg: "Eine Norm müssen Sie nicht einhalten, sondern hinterher sagen, warum es nicht geklappt hat."

(RP)
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