Billard Mit Queen im Ohr zur Poolbillard-WM in China

Kamp-Lintfort · Die Kamp-Lintforterin Jennifer Vietz wurde jetzt überraschend für die Weltmeisterschaft im 9-Ball nominiert, die vom 9. bis 12. August in China über die Bühne geht. Damit geht für sie ein Traum in Erfüllung.

 Jennifer Vietz bei ihren letzten Trainingsstößen, bevor es Anfang August zur Weltmeisterschaft im 9-Ball-Billard nach China geht.

Jennifer Vietz bei ihren letzten Trainingsstößen, bevor es Anfang August zur Weltmeisterschaft im 9-Ball-Billard nach China geht.

Foto: Jürgen Venn

Traum oder Trauma, das ist die Frage. So richtig glauben kann Jennifer Vietz es immer noch nicht. Bald wird die 32-Jährige ins Flugzeug steigen und bei der Weltmeisterschaft im Poolbillard in der Disziplin 9-Ball dabei sein. Gegen 64 der besten Spielerinnen weltweit wird die Kamp-Lintforterin, die für den 1. PBC Joker Geldern spielt, antreten. "Ich habe mir das mal im Internet angeschaut. Es ist eine andere Welt", sagt sie über das, was sie vom 9. bis 12. August bei der WM in Shenyang (China) erwartet.

Die Qualifikation kam überraschend. "Ich bin die Elfte, eigentlich kommen die ersten Zehn zur Weltmeisterschaft. Ich stand auf der Warteliste." Da sind sie dann auch wieder, die Zweifel. "Vom Geld und Urlaub her wäre es besser gewesen, wenn ich ein Nein erhalten hätte." Es siegt dann aber doch die Vorfreude. "Da ich aber die Chance kriege, werde ich alles dafür tun. Vielleicht habe ich die Chance nur einmal." Dieses Wechselspiel der Gefühle kennt die Spielerin des 1. PBC Joker gut. 1999 holte sie den DM-Titel in der Jugendklasse. Erst zehn Jahre später gelang es ihr wieder bei einer DM aufs Treppchen. "Die Deutschen Meisterschaften habe ich mir als Problem angeeignet. Ich qualifiziere mich jedes Mal, aber statt Freude ist der Druck so groß, dass ich nicht frei spielen kann." Um ihrem persönlichen Trauma zu entfliehen, spielte sie die Eurotour. "Es ist schon ein starkes Feld, stärker als bei den Deutschen Meisterschaften", sagt die 32-Jährige.

"Der Sprung ins kalte Wasser", nennt sie die Herausforderung, der sie sich stellt. Mit Bravour gestellt hat, immerhin brachte es die Qualifikation zur WM. "Das ist es, was ich immer wollte", sagt sie. "Es ist nicht nur ein Geschenk, sondern auch Belohnung für die guten Spiele", schiebt sie nach. Da sind sie wieder, die Zweifel an der eigenen Leistung. Während der Eurotour konnte sie einmal diese mentale Schranke fallenlassen. "Bevor ich nach Italien zur Eurotour flog", so beginnt die Geschichte ihrer Befreiung. Durch ein Missgeschick kommt ihr die brennende Zigarette ins Auge. Noch am Flughafen konsultiert sie den Notarzt. Diagnose: Hornhaut verbrannt. "Aber ich muss morgen um neun Uhr Billard spielen", entgegnet Vietz. Das erste Spiel verlor sie, weil sie nichts sehen konnte. "Beim Spiel danach dachte ich, ich sollte einfach nur fühlen, wenn ich nichts sehe." Auf einmal stand es 6:0 für die Kamp-Lintforterin. Sie gewann, kam bis ins Viertelfinale. "Ich bin Fünfte geworden. Für eine Einäugige war das super." Niemals zuvor habe sie so gut gespielt. Vielleicht deshalb, weil sie nichts zu verlieren hatte. "Alle waren überzeugt, dass ich verliere, ich eingeschlossen."

Diese Freiheit wünscht sie sich auch für die Weltmeisterschaft. Freunde und Billardkollegen frotzeln schon, welches Handicap sie sich zulegen könnte, um den Kopf frei zu haben. Bis ihr Flugzeug geht, übt sie noch ein paar Sicherheitsstöße, um den Ball vor dem Gegner zu verstecken. Und sie packt Musik ins Gepäck. Ein Geheimrezept gegen die Angst gibt es nicht. "Aber ein Lied, mit dem man ein schönes Erlebnis verbindet, ist eine gute Möglichkeit, die Gedanken positiv zu beeinflussen", weiß Vietz. Eines ihrer Lieblingslieder ist "Don't stop me now" von Queen.

(RP)
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