Ausstellung in Moers Wie die Frauen hinterm Ofen hervorkamen

Moers · Eine Sonderausstellung im Grafschafter Museum dokumentiert die Frauen- und Demokratiebewegung. Anlässlich der Eröffnung am Sonntag können Besucher auch das renovierte Alte Landratsamt kennenlernen.

 In der Ausstellung: (von rechts) Museumsleiterin Diana Finkele, Gleichstellungsbeauftragte Barbara Folkerts, Ingrid Misterek-Plagge (Museumsnetzwerk),Fania Burger (Museum), Beate Schieren-Ohl (VHS), Lisa Merschformann (Museum).

In der Ausstellung: (von rechts) Museumsleiterin Diana Finkele, Gleichstellungsbeauftragte Barbara Folkerts, Ingrid Misterek-Plagge (Museumsnetzwerk),Fania Burger (Museum), Beate Schieren-Ohl (VHS), Lisa Merschformann (Museum).

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Die erste Stadtverordnete im Moerser Rat war 1920 die Sozialdemokratin Martha Müller. In der Ausstellung „Wählen & Wühlen“ im Grafschafter Museum erscheint sie als bloßer Schattenriss. „Wir haben kein Foto von ihr“, sagt Museumsleiterin Diana Finkele. Wer ein Bildnis beisteuern kann, fühle sich aufgerufen, die neue Sonderausstellung im Grafschafter Museum zu komplettieren. Sie dokumentiert den langen, harten Weg, den Frauen zurücklegen mussten, bis sie in Parlamenten sitzen und diese mitwählen durften.

Der Titel „Wählen & Wühlen“ ist einer Losung sozialdemokratischer Frauen aus den 1870er Jahren entlehnt: Sie wollten so lange „wühlen“ – für ihre Rechte einstehen –, bis sie ans Ziel kamen. Dabei war die Frauenbewegung als solche gespalten: Die einen wollten erst die Stellung der Frau stärken, um sich das Wahlrecht zu „verdienen“. Die anderen forderten die politische Mitsprache dagegen entschieden ein. „Am Niederrhein war der moderate Zweig deutlich stärker“, sagt Finkele.

 Diana Finkele öffnet eine Ausstellungsnische, in der es um die „Agitation am Niederrhein“ geht. Die Sozialdemokratin Luise Zietz warb Anfang des 20. Jahrhunderts in der Region für die Rechte der Frauen.   RP-Foto: pogo

Diana Finkele öffnet eine Ausstellungsnische, in der es um die „Agitation am Niederrhein“ geht. Die Sozialdemokratin Luise Zietz warb Anfang des 20. Jahrhunderts in der Region für die Rechte der Frauen. RP-Foto: pogo

Foto: Josef Pogorzalek

„Wühlen“ müssen auch die Ausstellungsbesucher: Die Exponate befinden sich in Nischen, hinter bebilderten „Vorhängen“, durch die man sich erst Zugang verschaffen muss. Es gibt viel zu sehen und zu lesen, denn zu sehen sind neben Bildern und Plakaten viele Zeitungsartikel, Sitzungsprotokolle, Flugblätter und andere Dokumente. Wer nicht viel schmökern möchte, sollte sich vielleicht besser einer Führung anschließen.

Interessant: Schon 1772 forderte der preußische Staatsmann Theodor von Hippel die Gleichberechtigung für Frauen ein. Erst 100 Jahre später traute sich eine Frau, öffentlich für das Wahlrecht einzutreten: die Schriftstellerin Hedwig Dohm tat dies 1873. Derlei Ansinnen erschütterten das bürgerliche Bild der Frau als „Heilige Flamme des häuslichen Herdes“, sagt Finkele. Der Code Napoleon und später das Bürgerliche Gesetzbuch zimmerten dieses Bild auch juristisch fest. Der Mann war rechtlicher Vormund seiner Kinder und seiner Frau. Dass Frauen sich politisch betätigten oder in der Öffentlichkeit wirkten, lag jenseits der (männlichen) Vorstellungskraft.

Sozialdemokraten und Sozialisten waren die ersten politischen Parteien, die für Frauenrechte eintraten. Als das Wahlrecht für Frauen nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland endlich errungen war, kam es zu einem regelrechten Buhlen der anderen Parteien um diese starke Wählergruppe. „Nach dem Krieg gab es mehr Frauen als Männer“, sagt Finkele. Auch dieses Kapitel beleuchtet die Ausstellung sehr schön. Zum Beispiel mit einem Stummfilm, der Frauen erklärte, wie eine Wahl eigentlich abläuft.

„Wählen & Wühlen“ ist Teil des Themenjahrs „Neuland“ des Museumsnetzwerks Niederrhein. Eröffnet wird die Ausstellung am Sonntag, 24. März, um 11.30 Uhr – allerdings nicht im Grafschafter Museum, sondern im Alten Landratsamt am Kastellplatz. Das ist nach langer Sanierung zwar noch nicht eingerichtet, Besucher können es an diesem Tag aber bereits ein wenig erkunden. Zum Beispiel um 13.30 Uhr bei einem rund einstündigen „Escape Game“, das sich thematisch um die Geschichte der Demokratie in Moers dreht – darum wird es künftig auch in einer Ausstellung im Alten Landratsamt gehen. An einem Stand werden sich in diesem Zusammenhang auch der Verein Erinnern für die Zukunft und die NS-Dokumentationsstelle der Stadt vorstellen.

Ebenfalls im Alten Landratsamt ist am Sonntag ein virtueller 3D-Rundgang durch das Moerser Schloss möglich. Er ist Teil des „Digilabs“, eines gemeinsamen Projekts, bei dem das Museumsnetzwerk Niederrhein die Möglichkeiten der Digitalisierung für sich erkundet.

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