Schlosstheaters Moers zeigt Büchner Eine Reise in den Wahnsinn

Moers · Seit dem Wochenende zeigt das Schlosstheater Moers Georg Büchners „Lenz“ in der Friedhofskapelle an der Rheinberger Straße – unter Corona-Bedingungen. Nur zwölf Zuschauer dürfen dabei sein.

 In der Inszenierung von Ulrich Gren wechselt Schauspieler Roman Mucha Mucha vom Ich-Erzähler in die Beobachterrolle.

In der Inszenierung von Ulrich Gren wechselt Schauspieler Roman Mucha Mucha vom Ich-Erzähler in die Beobachterrolle.

Foto: Kristina Zalesskaya

Theater und Corona, die zwei Bereiche und ihre Bedürfnisse nähern sich in Moers vorsichtig einander an. Die Friedhofskapelle an der Rheinberger Straße wird so zum Ort des Theaterspiels. Unter strengen Corona-Maßnahmen lässt sich dort wieder Theaterluft atmen. Statt 40 Zuschauern ist es zwölf Personen mit Mund-Nasen-Schutz und Mindestabständen auf den Sitzbänken möglich, Teil des Spiels zu sein. Den zwei Vorstellungen am Wochenende folgen Freitag und Samstag, 12./13. Juni, 19.30 Uhr, zwei weitere.

Mit dem Büchner-Stück „Lenz“ steht zugleich schwerer Stoff auf dem Programm und war zuvor bereits als Online-Premiere im Video-Stream des Schlosstheaters zu sehen. Schauspieler Roman Much glänzt in dem Ein-Personenstück, das sich auch in seiner gesamten Thematik teilweise als Alb auf den Zuschauer legt. Dunkelheit umgibt ihn direkt zu Beginn, während Mariá Portugal, „Improviser in Residence“, am Schlagzeug musikalisch begleitet.

Leise, fordernd, quälend und aufbrausend treibt sie die Stimmung an, beherrscht die Sprache des Instruments, die das Büchner Stück in Höhen und Abgründe führt. Sie singt, liefert Echoeffekte. Roman Mucha in zeitgenössischer Kleidung inklusive Schutzvisier steckt in einem Klettergeschirr mit elastischem Seil, das oben im Kapellendach fixiert ist. Er wird über den Bühnenboden kriechen, schweben, um mit Kreide zu malen, wird springen, sich drehen und winden, so wie es möglich ist und damit aktuelle Bezüge zu Corona-Zeiten schaffen. Die Mobilität des Menschen ist begrenzt.

Mucha wechselt vom Ich-Erzähler in die Beobachterrolle. „Die Form ist die Möglichkeit der Struktur.“ Zitate aus Ludwig Wittgensteins (1918) „Tractaus Logico Philosophicus“ eröffnen immer neue Betrachtungsweise des Spiels, der Sprache und des Verstehens. Georg Büchner (1813-1837) ist deutscher Dramatiker. Mit der Novelle „Lenz“ setzte er 1836 das Leben des Dichters der Sturm- und Drangzeit, Jakob Michael Reinhard Lenz (1751-1792), in Szene. Lenz ist 1778 auf der Reise zu Pfarrer Oberlin, von dem er sich Hilfe erhofft. Lenz leidet unter psychischen Störungen, Selbstzweifeln, hat Wahnvorstellungen und Ängste, die ihn nachts in kaltes Wasser springen lassen, weil er nicht schlafen kann. Oder er stürzt sich aus dem Fenster. Er hört Stimmen, obwohl er Ruhe sucht. Die Stille schreit. Er glaubt mit den Händen an den Himmel zu stoßen. Auch liegt er einfach auf den Boden, um nur zu hören. Der Wahnsinn hat sich längst zu seinen Füßen niedergelassen. Zwar begleitet Pfarrer Oberlin ihn beruhigend, doch erreicht er ihn nicht wirklich. Sein Zustand wird immer wirrer.

Lenz fordert ein verstorbenes Kind im Nachbarort am Totenbett auf: „Steh auf und wandle“. Mit Kreide zeichnet er auf dem Boden die Umrisse des Kindes nach. Nur eine der bizarren Szenen, die der Zuschauer erlebt. In Büchners Stück ist es dann die Bibel, die Lenz hoffen lässt, Gott sei eingekehrt und weise ihm himmlische Mysterien. Georg Büchner orientierte sich an den Aufzeichnungen von Pfarrer Oberlins. Lenz litt an paranoider Schizophrenie und stirbt in Moskau 1792.

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