Moers Schlosstheater spielt "Michael Kohlhaas"

Moers · Unverhofft kommt oft: Der Intendant hievt mit der szenischen Lesung von Kleists Novelle noch eine Premiere auf den Spielplan.

 Patrick Dollas rollt den Fall Michael Kohlhaas auf.

Patrick Dollas rollt den Fall Michael Kohlhaas auf.

Foto: StM

Für Ulrich Greb ist dieser Michael Kohlhaas, dem Kleist in seiner gleichnamigen Novelle ein Gesicht gab, einer der ersten Wutbürger überhaupt. Einer, dem Unrecht widerfährt und der das Recht in die eigene Hand nimmt, nachdem er auf legalem Weg keine Gerechtigkeit erfährt. Die Aktualität der Novelle, die Heinrich von Kleist 1810 veröffentlichte, ist für den Intendanten des Moerser Schlosstheaters naheliegend: "Wir leben heute inmitten einer Empörungsgesellschaft", betont Greb. Er richtet "Michael Kohlhaas" als szenische Lesung im Studio ein - mit Schauspieler Patrick Dollas als Chronisten, der den Fall anhand von Akten, Aussagen und Analysen wieder aufrollt. Die Premiere ist am Mittwoch, 15. April, 19.30 Uhr, im Theaterstudio.

Zugleich schafft das Schlosstheater mit der zusätzlichen Inszenierung einen kleinen "Kleist-Schwerpunkt": Für den 23. April ist die Premiere von Kleists "Amphitryon" in der Inszenierung des Regisseurs Matthias Schönfeldt geplant. Da in diesem Stück nur vier Schauspieler eingesetzt werden, war Patrick Dollas frei für die Realisierung der jetzt anstehenden szenischen Lesung. "Ich freue mich, in dieser Spielzeit doch noch ein zusätzliches Stück bringen zu können", erklärt Ulrich Greb. Kleists Michael Kohlhaas basiert auf eine real bestehende Figur. Im 16. Jahrhundert wurde ein Hans Kohlhase hingerichtet. "Kleist wählte jedoch nur bestimmte Motive, da ihm die Gerichtsakten nicht zugänglich waren", erläutert Ulrich Greb den Hintergrund.

Michael Kohlhaas ist bei Kleist ein Rosshändler, der mit zwei Rappen nach Sachsen unterwegs ist. An einem Schlagbaum soll er Zoll zahlen und einen Passierschein vorlegen. Nachdem Kohlhaas in Dresden feststellt, dass es einen solchen Passierschein nicht gibt, erfährt er bei seiner Rückkehr, dass seine Pferde im Arbeitseinsatz auf dem Feld geschunden wurden. "Kleist erzählt uns eine Geschichte, die scheinbar historisch daher kommt, aber sie steckt voller politischer Aktualität", betont der Intendant. "Es geht um jemanden, der aufsteht und Selbstjustiz übt - unter dem Vorwand, einer gerechten Sache zu dienen. Tatsächlich beginnen Plünderungen und Brandschatzungen", erläutert der Intendant, der sich ob der "blühende Fantasie und der galoppierenden Sprache" des Autors begeistert. "Die Geschichte hat komische Züge und driftet ins Absurde ab, was Kleist bewusst bezweckte."

Für die szenische Lesung im Studio des Schlosstheaters braucht es nicht mehr als einen Tisch und vier Aktenkartons, um den Fall "Kohlhaas" aufrollen zu können. Für die musikalische Vertonung des Stückes gewann das Schlosstheater den diesjährigen Stadtmusiker Hayden Chisholm. "Die Musik wird für Momente des Innehaltens sorgen", sagt Greb, der dem Improviser in Residence freie Hand ließ. Chisholm holte Philip Zoubek (Klavier) mit ins Boot. Heute sollen Musik und Stück in einer Probe zusammengeführt werden. In der Inszenierung kommt die Musik allerdings vom Band und wird nicht live gespielt.

Mittwoch, 15. April, 19.30 Uhr, Studio des Schlosstheaters Moers.

(RP)
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