Lesung in Moers Rupert Seidl liest Hans Magnus Enzensberger

MOERS · Viele ältere Moerser kennen Rupert Seidl noch aus den 1990er Jahren zunächst als leitenden Dramaturgen und dann als Intendanten des Moerser Schlosstheaters. Später wechselte der heute 63-Jährige zu seinen Schauspielerwurzeln ins Mülheimer Theater an der Ruhr zurück, wo er noch heute tätig ist.

Rupert Seidl liest Hans Magnus Enzensberger in Moers.
Foto: Archiv

Dennoch wurde er in Moers nicht vergessen, wie eine Lesung am Freitag im ehemaligen „Lyceum Café“ und jetzigem „Buena Vista Culture Club“ am Hanns-Albrecht-Platz 2 bewies. Mit rund 50 Besuchern war seine Lesung aus dem im November im Suhrkamp-Verlag erschienenen Buch „Opus Incentum“ von Hans Magnus Enzensberger bis auf den letzten Platz besetzt.

Das Buch schildert in unterschiedlichen langen Anekdoten die Erinnerungen des 1929 in Kaufbeuten geborenen Schriftstellers aus seiner Kindheit in einer angesehenen örtlichen Beamtenfamilie, seine Jugend während der NS-Zeit und seinen späteren akademischen Werdegang im Deutschland des beginnenden wirtschaftlichen Neuanfangs. Eine recht abwechslungsreiche Mischung, an der Rupert Seidl vor allem die „wunderbaren Porträts“ der darin vorkommenden Personen, aber auch die aus heutiger Sicht recht unbefangen anmutenden Kriegserlebnisse des damals noch kindlichen Autors fasziniert haben. So wusste der kindliche Magnus zum Beispiel in einer der Anekdoten nicht, was eine riesige Menschenmenge in seiner Heimatstadt dazu veranlasste, einem „kleinen Mann mit Schnurrbart und angeklebten Haaren“ bei der Durchfahrt frenetisch zuzujubeln.

Auch später konnte der inzwischen jugendliche Magnus nicht ganz verstehen, wozu ein Wirtschaftsstudium gut sein soll, wenn man auf dem Schwarzmarkt doch viel bessere Handelserfahrungen machen konnte. Doch dann sollte ein Film über die grauenhaften Verhältnisse in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern ihn von einem Tag zum anderen erwachsen und letztendlich zu einem humanitären, sozialkritischen Schriftsteller werden lassen. „Wenn einer über sich selber schreibt, schreibt er über einen anderen und verschwindet schließlich darin“, beendete Seidl seine 90-minütige Lesung.

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