Prozess in Duisburg 1100 Seiten Anklage gegen Rheurdter "Fleisch-Mafia"

Rheurdt/Kamp-Lintfort · Sie sollen Arbeiter für Billiglöhne an Schlachthöfe vermittelt haben. Dadurch soll ein Schaden von rund 20 Millionen entstanden sein. Nun hat in Duisburg der Prozess gegen vier Männer begonnen.

 Fleisch in einer Auslage. (Symbolfoto)

Fleisch in einer Auslage. (Symbolfoto)

Foto: dpa, gam htf sab

Es wird ein umfangreicher Prozess werden. Der Hauptangeklagte ist ein Unternehmer aus Rheurdt, der von Kamp-Lintfort aus ein Geflecht von Firmen gesteuert hatte, über das Menschen aus Osteuropa an die Fleischbetriebe "verliehen" wurden, wo sie Tiere zerlegen und Fleischprodukte verpacken.

Bereits im Jahr 2013 hatten Staatsanwaltschaft, Zoll und Polizei das Anwesen des 54-Jährigen gestürmt und Akten beschlagnahmt. Zur gleichen Zeit hatte es auch an 90 weiteren Orten in Deutschland Einsätze gegen Verdächtige gegeben. Die fragwürdigen Umtriebe der so genannten "Fleisch-Mafia" und ihre Spuren nach Rheurdt und Kamp-Lintfort waren dem Norddeutschen Rundfunk im gleichen Jahr eine Fernseh-Dokumentation wert, eine weitere Sendung zu diesem Thema folgte im Jahr 2015.

1500 Ordner, 1100 Seiten Anklage

Nun startete der Prozess, wie es üblich ist, mit der Verlesung der Anklageschrift. "Sie ist rund 1100 Seiten lang", berichtet Matthias Breidenstein, Sprecher des Duisburger Landgerichtes. Zwar werde dieses Konvolut nicht vollständig verlesen, "aber einige hundert Seiten schon".

Das gibt schon einen Eindruck von den ungewöhnlichen Dimensionen des Verfahrens. Laut Matthias Breidenstein gehören zu dem Prozess 1500 Ordner mit ergänzendem Aktenmaterial. War man zunächst von 40 Verhandlungstagen ausgegangen, sind nunmehr 72 veranschlagt worden. "Es könnten aber noch mehr werden", sagt der Gerichtssprecher. Zur Sicherung des gesamten Verfahrens seien neben den drei Richtern und zwei Schöffen noch ein Ergänzungsrichter und ein Ergänzungsschöffe berufen worden.

Neben der ersten Anklageschrift, in der es um den Vorwurf der Hinterziehung von 14,5 Millionen Euro Umsatzsteuer geht, liegt nun eine zweite Anklageschrift vor. Darin wird der Vorwurf erhoben, bei den genannten Beschäftigungen der Billig-Löhner seien durch "Schwarzarbeit" Sozialabgaben in Höhe von vier Millionen Euro sowie Lohnsteuer in Höhe von 1,4 Millionen Euro nicht überwiesen worden. Unterm Strich geht es also um eine Summe von rund 20 Millionen Euro. Ein Urteil wird für den Juni 2018 erwartet.

Auf Haus des Hauptangeklagten wurde geschossen

Für die Anwohner im beschaulichen Rheurdt wurde der Hauptangeklagte, der in einer auffälligen Villa an der Bahnstraße lebt, spätestens am 8. Februar 2016 zum Begriff, als jemand mit einer Neun-Kaliber-Pistole Schüsse auf das Gebäude abgab. Ein Projektil drang dabei in den Rolladen-Kasten eines Zimmers ein.

Die Kriminalpolizei nahm die Ermittlungen auf, im September des gleichen Jahres nahm ein Spezialkommando in Krefeld zwei Männer fest, denen räuberische Erpressung vorgeworfen wird - sie sollen von den Bewohnern des Anwesens Geld gefordert haben.

(s-g)
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