Regionalversorger aus Moers Rekordbilanz: Warum Enni gegen den Trend wächst

Moers · Im Corona-Jahr 2020 hat es die Enni Energie & Umwelt geschafft, in einem umkämpften, grundlegenden Veränderungen unterworfenen Markt mit 21 Millionen Euro vor Steuern ein Top-Ergebnis vorzulegen. Es ist das neunte in Folge. Für den Erfolg gibt es mehrere Gründe.

 Enni-Chef Stefan Krämer setzt mehr denn je auf Wachstumsthemen.

Enni-Chef Stefan Krämer setzt mehr denn je auf Wachstumsthemen.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

20 Jahre alt ist die Enni Energie & Umwelt (Enni) im vergangenen Jahr geworden. Damals, im Jahr 2000, als die Stadtwerke Moers und Neukirchen-Vluyn gegen den Trend zu einer Marke verschmolzen, war die Welt noch eine andere – auch in Bezug auf die Energiewirtschaft. Die Energiewende, der Netzumbau durch die Dezentralisierung der Erzeugung, die Liberalisierung des Marktes und ein laut Enni-Chef Stefan Krämer damit einhergehender „teilweise brutaler Wettbewerb“ haben die Risiken für Unternehmen seither stetig erhöht. Viele Stadtwerke seien heute Verlierer der Energiemarktliberalisierung, sagt Krämer. Die Enni hingegen hat es geschafft, in den vergangenen zwei Jahrzehnten kontinuierlich zu wachsen; in einem Wirtschaftszweig, der eigentlich nur eine Richtung kannte: nach unten. Wie kommt das?

Das Ergebnis In der Bilanz des Geschäftsjahres 2020 konnte Stefan Krämer jetzt mit 21 Millionen Euro vor Steuern zum neunten Mal in Folge ein Rekordergebnis präsentieren. Das heißt: Gegenüber dem Vorjahr hat Enni noch einmal um knapp eine Millionen Euro zulegt – trotz Corona-Krise. Den mehrheitlich kommunalen Gesellschaftern, allen voran den Städten Moers und Neukirchen-Vluyn, fließen dabei in einer wirtschaftlich angespannten Zeit neben Gewinnen auch über Konzessionsabgaben und Ertragssteuern mehr als 27 Millionen Euro zu.

Die Umsätze Auch die Umsatzerlöse lagen 2020 mit rund 218 Millionen Euro auf neuem Rekordniveau. Ein Grund dafür waren die deutlich gestiegenen Absätze im Stromgeschäft: Sie legten um 16 Prozent auf jetzt 632 Millionen Kilowattstunden zu. Dabei konnte Enni im vergangenen Jahr erstmals mehr Strom bundesweit vertreiben als im Heimatmarkt und dabei mehr als 10.000 neue Privat-, Gewerbe- und große Individualkunden gewinnen. Auch im witterungsabhängigen Gasgeschäft lief es gut für den Versorger. Dort lag der Absatz weiter über einer Milliarde Kilowattstunden und damit fast doppelt so hoch wie vor 20 Jahren. Und schließlich: Auch beim Wasser gab es 2020 einen Rekord. Der Absatz erhöhte sich laut Enni um knapp fünf Prozent und übersprang die Acht-Millionen-Kubikmeter-Marke. Beim Wärmegeschäft lag die Steigerung bei 12 Prozent auf mehr als 63 Millionen Kilowattstunden. 

Die Wachstumsthemen Zulegen konnte das Unternehmen laut seines Geschäftsführers vor allem durch viele Wachstumsthemen. „Für ein Stadtwerk alter Prägung mit dem alleinigen Energiegeschäft im Heimatmarkt wäre eine solche Entwicklung nicht möglich gewesen“, sagt Krämer. „Wir stehen heute breiter als je zuvor da und sind so weniger für Krisen anfällig als noch zur Jahrtausendwende.“ Im Wachstumsfeld Handel, Beteiligungen, Dienstleistungen bündelt Enni Themen, in denen sie noch vor einem Jahrzehnt nicht aktiv war. So liefern auch die mittlerweile zwölf Beteiligungen wie etwa an der Kraftwerksgesellschaft Biokraft Moers/Dinslaken oder der Enni Solar, in der das Unternehmen Dutzende Sonnenstromprojekte wie den Solarpark Mühlenfeld zusammenfasst, gute Renditen.

Die Strategie Am Ende ist der Moerser Regionalversorger Sieger in einem knallharten Verdrängungswettbewerb. Projekte, Mitarbeiter, Gewinn: Was Enni mehr hat, haben andere weniger. Das sei vor allem deshalb so, weil man sich von Beginn an erfolgreich gegen den seinerzeit für Stadtwerke prognostizierten Schrumpfkurs gestellt habe, sagt Krämer. Und so nutzt Enni mit einer auf Wachstum zielenden Strategie seit 2003 die Chancen des liberalisierten Energiemarktes. Größte Etappenziele waren die Entwicklung vom reinen Netz- und Vertriebsunternehmen zum Energieproduzenten mit starkem regenerativem Fokus, der Einstieg in den bundesweiten Energievertrieb und die Gründung einer kommunalen Infrastrukturgruppe unter dem Markendach. Mittlerweile ist Enni auch Telekommunikationsanbieter. Der Entwicklungsschritt vom Stadtwerk zum Regionalversorger gelang durch die Beteiligung der Gelsenwasser AG am Unternehmen und der damit verbundenen Übernahme der Gasnetze in Rheinberg und Uedem.

Das Team Bis heute hat Enni ihre Wachstumsstrategie konsequent umgesetzt. Daran soll sich nichts ändern. Krämer weiß, dass sein Unternehmen das Rad immer weiterdrehen muss. „Wir werden uns ständig weiterentwickeln müssen, da sich Rahmenbedingungen für Stadtwerke ganz sicher auch durch den Atom- und Kohleausstieg weiter verschärfen werden“, sagt er. Wie bisher will sich der Geschäftsführer dabei auf sein „sehr agiles und veränderungsbereites“ Team verlassen. Über die vielen Jahre hinweg sei auch die vertrauensvolle und sachorientierte Zusammenarbeit zwischen dem Aufsichtsrat, der Geschäftsführung und den Betriebsräten ein Teil des Erfolgsgeheimnisses, sagt der Chef. Die Kombination aus kommunalen und privaten Gesellschaftern als der aus Krämers Sicht überlegenen Unternehmensform für Stadtwerke habe ihr Übriges getan und die notwendige Balance zwischen Bürgerinteressen einerseits und notwendiger Prozesseffizienz und wirtschaftlichem Denken andererseits geschaffen. „Wir investieren so viel wie nie und bauen weiter an der Zukunft des Unternehmens“, betont Krämer. Dabei könne auch bei der Enni selbstverständlich mal etwas schiefgehen. „Wir werfen zehn Bälle in die Luft und hoffen, dass sieben davon dort oben bleiben. Unser Ansatz ist: Einfach mal machen. Wer kein Risiko eingeht, hat auch keinen Erfolg.“