Kolumne Unsere Woche Perspektive und Polemik

Moers · In der nächsten Woche muss der Aufsichtsrat der Kultur GmbH die Weichen für die Zukunft des Moers Festivals stellen. Eine Mehrheit im Gremium will wohl weitermachen.

Zum ersten Mal seit Jahren war ich am Pfingstwochenende nicht auf dem Moers Festival. Eigentlich gehört der Besuch dort zu den festen Punkten in meinem Jahresprogramm, und ich habe immer gedacht, dass mir etwas fehlen würde, wenn ich dort nicht für ein paar Stunden ungewöhnlichen Klängen lauschen und alte Freunde treffen könnte.

Doch in diesem Jahr gab es in der Familie einiges zu feiern, so dass keine Zeit für den Abstecher aufs Festivalgelände blieb. Und was soll ich sagen: Es war schön, auch ohne Musik. Vor allem aber merkte ich, dass meine subjektive Wahrnehmung, das Festivalgelände sei über Pfingsten der Mittelpunkt von Moers, leicht daneben lag. In kaum einen der vielen Gespräche mit Freunden und Verwandten spielte die Veranstaltung irgendeine Rolle.

Es ist eben eine Sache der Perspektive. Das erklärt wohl auch, warum sich an der Frage der Zukunft des Festivals zwei Fronten starr gegenüber stehen. Mark Rosendahl von der SPD etwa ist mit dem Festival groß geworden. Er trifft dort regelmäßig Freunde und Genossen, denen es ähnlich geht. Folglich hat er auch das Rücktrittsangebot von Reiner Michalke, dem künstlerischen Leiter, zurückgewiesen. Ingo Brohl von der CDU dagegen steht dem Spektakel wie die Vielzahl seiner Parteifreunde eher verständnislos gegenüber. Seine Anregung, das Festival auf Schlosshof-Maße zu reduzieren, ist etwa so ernst gemeint wie das Rücktrittsangebot Michalkes. Beide dürften davon ausgehen, dass ihre Vorschläge so nicht umgesetzt werden. Beide wollen aber Richtungen für Entscheidungen vorzeichnen.

Michalke will vor allem Planungssicherheit und fordert dafür einen Vertrauensbeweis von der Politik ein. Brohl dagegen fürchtet, die Stadt auf Jahre finanziell an eine Veranstaltung zu binden, deren Wert er und der Bürgermeister anders bemessen als der SPD-Fraktionsvorsitzende Rosendahl.

Es gehört zum Kern des politischen Geschäfts, unterschiedliche Bewertungen auszusprechen. Wenn Rosendahl aber Brohl beschuldigt, er habe "durch ständige Angriffe auf das Moers Festival und die Kulturschaffenden der Marke Kulturstadt Moers großen Schaden zugefügt", dann ist das nichts als Polemik. Schaden haben vor allem diejenigen dem Festival zugefügt, die die Kultur GmbH als Ausrichter an den Rand der Insolvenz geführt haben. Politisch verantwortlich dafür waren SPD, Grüne, FDP und Grafschafter. Das zu verkehren ist schon ziemlich dreist.

Ein schönes Wochenende! juergen.stock@rheinische-post.de

(RP)
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