Moers Neuer Anlauf für Tempo-30-Test

Moers · Der Ausschuss für Stadtentwicklung berät morgen über eine probeweise Tempodrosselung auf ausgewählten Abschnitten von Hauptverkehrsstraßen. Wegen starker Bedenken der Niag war das Thema im September 2015 vertagt worden.

MOERS Die Niag protestiert, Polizei und Feuerwehr schreien auch nicht gerade Hurra vor Begeisterung. Die Stadt scheint aber gewillt, den seit langer Zeit angekündigten Versuch mit Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen zu starten. Aufgrund der Proteste der Niag war die Vorlage für den Ausschuss für Stadtentwicklung im vergangenen September zunächst kurzfristig zurückgezogen worden. Morgen soll nun die Politik beraten, ob der Versuch Sinn macht (16 Uhr, Ratssaal).

Aus Sicht der Stadtverwaltung ist dies so. Tempo 30, das in reinen Wohngebieten bereits flächendeckend gilt, könne auch auf Hauptverkehrs- und Durchgangsstraßen für weniger Lärm, mehr Sicherheit und eine höhere Wohnqualität sorgen. Zumindest dort, wo die Straßenverkehrsordnung, die ein leistungsfähiges Netz von Vorrangstraßen verlangt, dies zulässt.

Drei Straßenabschnitte schlägt die Verwaltung für den einjährigen Tempo-30-Test vor: 1. Die Lintforter Straße in Repelen zwischen Allemendestraße und Ortseingang an der Kamper Straße. 2. Die Achse Bendmannstraße / Bahnhofstraße in Kapellen. 3. Die Achse Filder Straße / Diergardtstraße / Augustastraße in der südlichen Innenstadt. In allen Fällen handelt es sich um Erweiterungen, beziehungsweise Schließungen von "Lücken" zwischen Straßenabschnitten, auf denen bereits Tempo 30 vorgeschrieben ist. Die Versuchsbereiche wurden zum Beispiel ausgewählt, weil starker Verkehr dort für besonders viel Lärm sorgt, weil Fußgänger und Radfahrer die Straße oft queren, um von Geschäft zu Geschäft zu kommen oder weil Wohnhäuser direkt an der Straße liegen.

Nach wie vor hat die Niag starke Bedenken gegen die Tempodrosselung. "Der schnelle Weg von A nach B insbesondere im Kurzstreckenbereich wird dadurch - entgegen der verkehrspolitischen Ziele der Stadt Moers - ausgebremst", heißt es in einer Stellungnahme des Verkehrsunternehmens. Umstiegsmöglichkeiten könnten beeinträchtigt werden. Möglicherweise müssten Fahrpläne geändert werden, Haltestellen entfallen oder zusätzliche Fahrzeuge eingesetzt werden, um das bisherige Leistungsangebot für die Fahrgäste aufrechterhalten zu können.

Vor allem beim Thema Geld schrillen in Moers die Alarmglocken. So hat die Verwaltung ein Fachanwaltsbüro mit der Klärung der Frage beauftragt, ob die Stadt bei einer Anordnung von Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen für eventuelle Mehrkosten hafte, die einem Verkehrsunternehmen dadurch entstehen. Die Anwälte verneinen dies. Und die Stadt hafte auch nicht dem Kreis gegenüber, wenn die Niag aufgrund der Tempo-30-Anordnung den Vertrag über die Erbringung von ÖPNV-Dienstleistungen ändern müsse. Eine indirekte finanzielle Belastung könnte aber auf die Stadt zukommen: Wenn der Kreis sich wegen zusätzlicher Ausgaben im ÖPNV-Sektor genötigt sähe, die Kreisumlage zu erhöhen.

Abwägen muss die Politik auch die Stellungnahme der Polizei. Sie gibt zu bedenken, dass die "Verbindungsfunktion" der Hauptverkehrsstraßen beeinträchtigt würde. Autofahrer könnten nach alternativen Wegen suchen, mit der Folge stärkeren Verkehrs in Wohnvierteln. Ampelschaltungen müssten überprüft werden, ebenso die Frage der Radwegnutzungspflicht für den Radverkehr. Da zudem zu befürchten sei, dass Autofahrer sich nicht an die neue Tempobegrenzung halten, werde die Stadt wohl ausgiebig kontrollieren müssen. Aus Gründen der Verkehrssicherheit ist die Tempodrosselung nach Meinung der Polizei unnötig. Was Unfälle angeht, seien die für den Versuch ausgewählten Bereiche jedenfalls unauffällig.

Die Feuerwehr stimmt dem Tempo-30-Versuch im Prinzip zu. Sie behält sich aber eine Meinungsänderung vor, wenn sich herausstellen sollte, dass es zu Verzögerungen bei Einsätzen kommt. Das sei denkbar, wenn ehrenamtliche Feuerwehrleute bei Alarm im Privatwagen ihr Feuerwehrhaus ansteuern und dabei durch Tempo 30 ausgebremst werden.

Im Zuge der Diskussion über den Test hat es auch Vorschläge gegeben, Tempo 40 einzuführen, wie es in einigen Kommunen (Dinslaken, Voerde, Wesel) bereits geschehen ist. Anfragen in den Kommunen hätten gezeigt, dass es sich lediglich um vereinzelte Maßnahmen handle, so die Stadtverwaltung.

Von Tempo 40 seien weder die erhofften Effekte für eine Lärmminderung zu erwarten noch solche für die Sicherheit. Zur Verdeutlichung führt die Verwaltung den Anhalteweg eines Autos bei Tempo 50 an - 27,7 Meter. Bei Tempo 40 verkürze sich der Anhalteweg lediglich um ein knappes Drittel auf 19,9 Meter. Bei Tempo 30 sei er dagegen weniger als halb so lang, nämlich 13,3 Meter.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort