Moers Musiker spielen mit der Dunkelheit

Moers · Die neue Stadtmusikerin Carolin Pook hat zum ersten Hauskonzert in die Residenz an der Kleinen Allee in Moers eingeladen.

 Carolin Pook (stehend) und Thomas Heberer (liegend) geben in der Residenz an der Kleinen Allee ein Hauskonzert. Pook ist seit kurzem Improviser in Residence.

Carolin Pook (stehend) und Thomas Heberer (liegend) geben in der Residenz an der Kleinen Allee ein Hauskonzert. Pook ist seit kurzem Improviser in Residence.

Foto: Klaus Dieker

"Würden Sie das Licht ausmachen", bittet Carolin Pook einen Gast, der neben der Stehlampe sitzt. Eigentlich lässt man seinen Besuch ja nicht im Dunkeln sitzen, die neue Stadtmusikerin aber schon - weil sie ihrem Publikum zur Eröffnung des ersten Hauskonzerts an der Kleinen Allee ein besonders Musikerlebnis bieten möchte: den Klang ihrer Geige, losgelöst von jeglichen visuellen Eindrücken. "Ich hoffe, Sie haben keine Angst im Dunkeln", sagt sie.

So ganz dunkel ist es dann doch nicht. Pook, aktuelle Improviser in Residence, hat zwei Lämpchen wie Ringe an die Finger gesteckt: eines in Rot, das andere in Weiß. Die Bewegung ihrer Hand im Spiel lässt das Licht durch den Raum hüpfen, mal langsam, mal schnell. Sie entlockt der Geige erst ein Surren, dann ein Vibrieren, schließlich ein lautes Rumoren - bis sich für die Zuhörer überraschend ein neuer, der Klang eines ganz anderen Instruments, ins Spiel einzumischen scheint. Zuerst ganz leise, wie von weiter her, bis das neue Instrument als Trompete zu identifizieren ist.

Trompeter Thomas Heberer bewegt sich um Dunkeln langsam auf die Stadtmusikerin zu, die im Januar in die Residenz an der Kleine Allee in Moers eingezogen. Sie hat den Musiker zu ihrem ersten Hauskonzert eingeladen, um mit ihm im Duett zu spielen. Kennengelernt haben sich die beiden Künstler erst in New York, wo Pook seit zehn Jahren lebt und arbeitet. "Als ich erfahren hatte, dass er sich dort ebenfalls aufhält, habe ich ihn einfach angerufen", erzählt die Musikerin, die Geige und Schlagzeug spielt. "Du hast jemanden gesucht, der Deutsch spricht", entgegnet Heberer und zieht seine Musikerkollegin ein wenig auf.

Thomas Heberer ist aktuell auf Tournee und kam am Montag von Amsterdam nach Moers. Gestern stand schon sein nächstes Konzert in Frankfurt/Main an. "Ich hatte durch Zufall entdeckt, dass er auf Tour ist, und habe sofort in den Kalender geguckt, ob er nicht auch nach Moers kommen könnte." Heberer konnte. Besucher des Moers Festivals kennen Thomas Heberer möglicherweise vom James Choice Orchestra, mit dem er 2005 im Rahmen des Moers Festivals im Kammermusiksaal des Martinstifts gastierte. Heberer erhielt 1990 den SWR-Jazzpreis und den Preis der deutschen Schallplattenkritik, dazu kamen noch weitere Preise. Bevor er 2008 nach New York zog, war er festes Mitglied in der Band der Harald Show. Auch das Tanztheater in Wuppertal griff zwei seiner Kompositionen auf für Choreografien von Pina Bausch. Heberer und Pook verbindet eine intensive musikalische Zusammenarbeit, die auch in Carolin Pooks Projekt "Pookestra" mündete. Die etwa 20 Besucher des ersten Hauskonzerts der neuen Improviser in Residence erlebten am Montagabend das ungewöhnliche tête-à-tête zweier Instrumente, die völlig konträr zueinander zu stehen scheinen und dennoch wunderbar miteinander harmonieren. Thomas Heberer brachte zwei Stücke ins gemeinsame Konzert ein, die er am selben und am Vortag komponiert hatte. Das erste nannte er "Schnürsenkel", das zweite "Karo As".

Carolin Pook stieg gleich mit ein. Höhepunkt des Abends war die Improvisation nach Worten, die die Besucher auf Zetteln vor aufgeschrieben hatten, während Heberer humorvoll erzählte, dass das Trompetenspielen eine zutiefst analoge Tätigkeit sei. Die Stadtmusikerin hat in den vergangenen Tagen und Wochen die Gelegenheit genutzt, die Stadt Moers kennenzulernen und viele Kontakte zu knüpfen.

Kennengelernt hat sie auch den Moerser Kulturschaffenden Konrad Göke, der aktuell unter anderem das Projekt "Kulturzimmer" in Neukirchen-Vluyn betreut. Er brachte eine junge Band mit, die die Zuhörer in der Residenz mit arabischen Liedern überraschte. Die fünf jungen Männer leben in einer Flüchtlingsunterkunft in Neukirchen-Vluyn und haben sich erst vor drei Wochen zusammengeschlossen, um gemeinsam Musik zu machen.

(RP)
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