Moerser Spenden gesucht für die mögliche Behandlung einer jungen Autistin Nele hofft auf eine Delfintherapie

Moers · Niemand sieht es ihr an, doch den Alltag kann sie nicht alleine bewältigen: Nele Kretsch ist Autistin. Eine Delfintherapie könnte ihr helfen.

 Nele bei ihrer ersten Delfin-Therapie vor sieben Jahren

Nele bei ihrer ersten Delfin-Therapie vor sieben Jahren

Foto: Heike Bicking-Kretsch

Nele findet Nagellack toll und schwärmt für Beatrice Egli. Sie schaut gerne Videos auf Youtube, schwimmt, bummelt mit ihren Eltern durch die Moerser Innenstadt und liebt es, sich zu verkleiden. Auf den ersten Blick unterscheidet sie nichts von anderen siebzehnjährigen Mädchen. Doch Nele schaut anderen nie in die Augen, oft gibt sie knappe Antworten, die nicht zur Frage passen, und wenn jemand weint, versteht sie nicht, warum. Nele ist Autistin, mit geistiger Behinderung und fotografischem Gedächtnis.

Sie kann weder lesen noch rechnen. Aber sie kennt das Alphabet, und wenn ihre Oma ihr einen Suchbegriff buchstabiert, kann Nele ihn eintippen, so findet sie ihre Lieblingsvideos im Netz. Manchmal schreibt ihre Mutter, Heike Bicking-Kretsch (53), Wörter auf wie „Mama“, „Papa“, oder „Svenja“, den Namen von Neles älterer Schwester (25). Dann malt Nele die Buchstaben nach – groß und krakelig, wie eine Erstklässlerin. „Meine Tochter ist geistig auf dem Stand einer Drei- bis Vierjährigen“, sagt Bicking-Kretsch. „Wir wollen weiter an ihren Alltagskompetenzen arbeiten. Sie könnte irgendwann in ein betreutes Wohnen ziehen. Das wird noch einige Jahre dauern, aber wir hoffen, dass sie bis dahin kleine Fortschritte macht wird.“ Selbstständig wird Nele nie sein, sie braucht immer eine Betreuung, 24 Stunden am Tag. „Sonst würde sie nur am Kühlschrank stehen und essen. Sie hat kein Sättigungsgefühl“, sagt ihr Stiefvater Ralf Bicking (54). Seit sieben Jahren ist er Teil der Familie, geht mit Nele spazieren, einkaufen und schwimmen. Oft muss er Passanten erklären, warum die 17-Jährige sich so anders verhält: „Sie sieht aus wie andere Mädchen – das ist Fluch und Segen zugleich. Einmal waren wir in einem Kaufhaus, ich habe Schuhe anprobiert, Nele lief durch die Gänge. Auf einmal hörte ich einen Aufschrei. Nele wollte die Fellkapuze einer Kundin anfassen, und hatte deren Haare zur Seite gepustet. Die Frau schimpfte, wurde unfreundlich. Da habe ich ihr erklärt, was mit Nele auf sich hat. Sie hat sich tausend Mal entschuldigt.“ Doch nicht immer reagieren die Leute so positiv. Eine Frau beim Metzger nannte Nele einmal ein „ungezogenes Blag“, und ließ das Mädchen ihre Wut spüren – was der Stiefvater sagte, war ihr gleichgültig. Als ihre Mutter mit Nele im Bus saß, begann das Mädchen zu krampfen: „Das macht sie, wenn sie sich freut“, erklärt die 53-Jährige. Neben ihnen saßen junge Frauen und Männer, ungefähr in Neles Alter. Sie äfften Nele nach, lachten über sie. „Meine Tochter versteht das nicht, aber mir tut das weh“, sagt Bicking-Kretsch.

 Nele (zweite von links) mit ihrer Schwester Svenja und ihren Eltern  Heike Bicking-Kretsch und Ralf Bicking.

Nele (zweite von links) mit ihrer Schwester Svenja und ihren Eltern Heike Bicking-Kretsch und Ralf Bicking.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Die 53-Jährige hat schon früh geahnt, dass etwas nicht stimmt. „Nele krabbelte nicht, sie sprach nicht, sie lächelte nicht. Der Kinderarzt meinte, ich dürfe sie nicht mit ihrer Schwester Svenja vergleichen, jedes Kind entwickle sich anders.“ Als Nele zwei Jahre alt wurde und sich nichts veränderte, las die Mutter ein Buch über Kinder mit Autismus: „Ich habe Nele darin wiedererkannt.“ In der Kinderpsychatrie in Mülheim wurde dann die Diagnose gestellt.

Seitdem bekommt Nele regelmäßig Therapien: Ergotherapie, Autismustherapie, früher auch Logopädie. Mit vier hat Nele hat angefangen zu sprechen: „Ich habe gar nicht mehr dran geglaubt“, sagt Bicking-Kretsch. 2012 machte Nele mit ihrer Mutter eine Delfintherapie in der Türkei: „Seitdem ist sie weniger ängstlich und viel kommunikativer geworden. Ich habe das Gefühl, es hat ihr richtig gut getan.“ Leider habe Nele im vergangenen Jahr Zwangsstörungen entwickelt. Medikamente wie Anti-Depressiva möchte Bicking-Kretsch ihrer Tochter nicht zumuten. Auf einer Mutter-Kind-Kur im Herbst 2018 erfuhr sie von einer erweiterten Delfintherapie auf Curacao, bei der die Alltagskompetenzen gefördert werden. „Viele Eltern von Kindern mit Autismus haben super Erfahrungen damit gemacht“, sagt Bicking-Kretsch. Die Therapiekosten belaufen sich auf 9000 Euro, dazu kommen der Flug, die Unterkunft und Verpflegung. Weil die Familie nicht die finanziellen Kapazitäten hat, sammelt sie Spenden. „Wir möchten Nele das ermöglichen“, sagt ihr Vater.

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