Unsere Woche Wo bleibt die Ampel-Koalition der Frauen?

Moers · In welchem Jahr leben wir eigentlich, und in welchem Land? Eine verärgerte Gabriele Kaenders fragte sich das im Rat. Wenn ich mir eine Antwort erlauben darf: Wir leben im Jahr eins vor der Kommunalwahl, und in einem Land, das noch nicht bemerkt hat, dass die Hälfte seiner Bürger aus Frauen besteht.

 Josef Pogorzalek, RP-Redakteur,

Josef Pogorzalek, RP-Redakteur,

Foto: Klaus Dieker

Zumindest in Moers scheint das so zu sein.

Darauf lässt die Kaltschnäuzigkeit schließen, mit der im Rat Kaenders‘ sympathischer Antrag abgebügelt wurde, ausgewählte Ampeln in der Stadt mit Frauensymbolen zu versehen – während der Rat im gleichen Zuge „Bergmannsampeln“ befürwortete. Ehrlich gesagt fand ich „Frauenampeln“ bisher unnötig. Dass ich gerade umdenke, ist den Moerser Stadtratsmitgliedern zu verdanken.

Mit der Bergmannsampel will der Rat an den Bergbau erinnern, diese ach so goldene Ära, die nun für immer vorbei ist. Entschuldigung, aber mich erinnert die Verklärung des Bergbaus ein bisschen an die Landser-Romantik alter Männer: Was waren das damals für Zeiten, als wir im Dreck lagen und uns die Kugeln um die Ohren pfiffen - diese Kameradschaft! Ich nehme mir die Freiheit, den Bergbau so zu betrachten: Vater ackerte sich kaputt und krepierte mit 60 an Staublunge. Mutter hatte alle Mühe, einen Haufen hungriger Mäuler zu stopfen, mistete den Schweinestall im Hof aus, schrubbte sich im Haus den Rücken krumm und die Hände wund. Denn Bergbau, das bedeutete vor allem einen Haufen Schmutz. Gut, dass dies Geschichte ist.

Was nun die „Ampelfrau“ angeht, so wurde im Rat nicht wirklich deutlich, warum sie abgelehnt wurde. Von den meisten wohl, weil der Antrag nicht von der eigenen Fraktion kam. Ingo Brohl (CDU) war die Ampelfrau nicht symbolträchtig genug. Dass er herkömmliche Ampeln als „geschlechtsneutral“ bezeichnete, war jedoch ein Witz. Jedes Kind sieht, an welchem Geschlecht sich die abstrahierte Figur an Fußgängerampeln orientiert.

Und dann war da noch die Verwaltung, die erklärte, dass es Ampelfrauen noch nicht gebe und die Anschaffung deshalb deutlich teurer sei als Bergmannsampeln. Das ist einfach falsch. Ampelfrauen gibt es seit Jahren in anderen Städten. Aber die neben Kaenders 20 weiteren weiblichen Ratsmitglieder schwiegen zu all dem, statt sich zur Ampel-Koalition der Frauen zu verbünden.

Bleibt der Eindruck: Wenn‘s um Bienen geht, bricht in den Ratsfraktionen Aktionismus aus. Wenn‘s um Frauen geht, summt keine Drohne danach. Klar gibt es wichtigere Frauenthemen. Aber eine Ampelfrau wäre eben doch ein Symbol, mindestens genauso wie der Comic-Bergmann, der uns demnächst am Fußgängerüberweg leuchten soll. Von mir aus kann man in der Ampelfrau auch die treusorgende Gattin des Helden der Untertage-Arbeit sehen. Hat sie nicht eine Würdigung verdient? Merkwürdig, dass ich das alles sagen muss. Mir kann‘s wurscht sein. Ich bin ein Mann.

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