THW Moers im Katastrophengebiet Auf „Heimurlaub“ aus dem Dauereinsatz

Moers · Mitglieder des Technischen Hilfswerks Moers sind seit dem 15. Juli nach der Flutkatastrophe im Rhein-Sieg-Kreis im Einsatz. Privatleben und Arbeit stellen die Ehrenamtler hinten an. Nach Hause kommen sie nur zwischendurch zum Ausschlafen.

 Vor der Rückfahrt ins Einsatzgebiet: Maximilian Matysik, Tim Bungartz, Christian Matysik, Niklas Fischer, Norbert Gottschild und Torben Schreiber.

Vor der Rückfahrt ins Einsatzgebiet: Maximilian Matysik, Tim Bungartz, Christian Matysik, Niklas Fischer, Norbert Gottschild und Torben Schreiber.

Foto: Josef Pogorzalek

Sie sind Mitglieder des THW Moers und seit fünf Tagen im Dauereinsatz. Nur zum Schlafen kehrten sie am Montagabend aus dem Katastrophengebiet im Rhein-Sieg-Kreis zurück. „Zu Hause ist der Schlaf erholsamer“, sagt Torben Schreiber. Besser jedenfalls als auf einem Feldbett in einer provisorischen Unterkunft, die mal eine Schule war. Schreibers Kamerad Tim Bungartz schmunzelt. „Elf Stunden geschlafen, ich musste viel nachholen.“ Es ist Dienstag kurz vor zwölf, die Männer treffen sich an der THW-Unterkunft in Scherpenberg. Ihre Hosen, Schuhe und Jacken sind schlammverkrustet. „Seit vier Tagen nicht gewechselt“, heißt es lachend. Ein bisschen plauschen, Sonne tanken auf der Holzbank im Hof. Gleich geht es mit dem Kleinbus wieder nach Swisttal-Odendorf.

Am frühen Donnerstagmorgen wurde das THW Moers alarmiert. 16 Mitglieder packen seither in zwei Gruppen im Gebiet der Gemeinde Swisttal mit an. „Wir bergen und retten“, sagt Maximilian Matysik. „In den ersten Tagen haben wir vor allem Leute aus ihren Häusern geholt.“ Der sonst idyllische Swistbach war zur zerstörerischen Naturgewalt angeschwollen. „Das Wasser stand teils bis zur ersten Etage“, berichtet Torben Schreiber. „Es hatte eine solche Kraft, dass Polizei-Schlauchboote mit 30, 40 PS-Motoren nicht dagegen ankamen.“

Ganze Familien, die alles verloren hatten, warteten mit hastig gepackten Koffern verzweifelt auf Rettung. Für manche kam sie zu spät. „Wir haben auch einen Toten geborgen“, sagt Maximilian Matysik. Sei Bruder Christian gehört ebenfalls zur Gruppe. Er war 2013 schon nach dem Elbe-Hochwasser in Sachsen-Anhalt in Magdeburg im Einsatz. „Magdeburg war nichts gegen das jetzt“, sagt er.

Alle stimmen zu: Das, war sie in den vergangenen Tagen erlebt und gesehen haben, ist unfassbar. Menschliches Elend, Schlamm, Schutt, Hausruinen, eingestürzte Brücken, weggebrochene Straßen, Autos, die als solche nicht mehr zu erkennen sind. Neben den Bildern gibt es Erlebnisse, die sich tief einprägen. Wie die bangen Minuten nach einer über Funk gekommenen Falschmeldung, die Steinbachtalsperre sei gebrochen. In Windeseile brachten sich die Männer selbst in Sicherheit. „Kein Risiko, der Eigenschutz geht vor“, sagt Maximilian Matysik. Wie man all das verarbeitet? „Wir sprechen viel miteinander“, sagt Torben Schreiber. „Man darf das nicht in sich reinfressen.“ Das THW verfügt auch über sogenannte Einsatznachsorge-Teams mit speziell geschulten Mitarbeitern, an die sich die Einsatzkräfte wenden können.

Anfangs haben die Moerser THW-Leute in Swisttal-Heimerzheim in zwei Zwölfstundenschichten rund um die Uhr geackert. Inzwischen wird auf die Nachtschichten verzichtet. „Zu gefährlich“, sagt Maximilian Matysik. „Wir könnten Licht installieren. Aber eine unterspülte Straße hat man tagsüber trotzdem besser im Blick.“ Der 24-Jährige ist Elektriker von Beruf. Sein Arbeitgeber stellt ihn für den Einsatz frei. „Er findet es gut, was ich mache.“ Auch bei seiner Freundin finde er Unterstützung. Die THW-Helfer engagieren sich sämtlich ehrenamtlich. Die meisten in der Gruppe waren schon bei der THW-Jugend dabei. „Wofür übt man denn?“, sagt Torben Schreiber auf die Frage, warum er sich den Einsatzstress antut. „Kameradschaft“, sagt ein anderer. Und Norbert Gottschild, mit 68 der älteste in der Gruppe, sagt: „Helfersyndrom.“ Vor allem aber ist das tiefe Gefühl der Dankbarkeit, das den Helfern von den Menschen in Swisttal entgegenschlägt, ein reicher Lohn für die Schufterei. „Man fühlt sich bestätigt“, berichten die Moerser THW-Leute. Und auf geht’s.

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