Theater in Moers Schauspieler chatten im Kriminalstück

Moers · Das Theaterkollektiv „vorschlag:hammer“ wagt eine Inszenierung in ungewöhnlichem Format: im Telegram-Chat. Die Produktion entstand im Rahmen des Fonds „Doppelpass Plus“ der Bundeskulturstiftung.

 Das Theater „vorschlag:hammer, v.l.: Gesine Hohmann, Stephan Stock und  Kristofer Gudmundsson.

Das Theater „vorschlag:hammer, v.l.: Gesine Hohmann, Stephan Stock und  Kristofer Gudmundsson.

Foto: Dieker, Klaus (kdi)

Eine Leiche wird am Ufer des Rheins gefunden. Eine Kleinstadt-Polizistin geht auf Mörderjagd. Wer ist der Täter? Kommt er aus derselben Stadt? Oder handelt es sich um etwas Mystisches? Als die jungen Theatermacher vom Kollektiv „vorschlag:hammer“ vor anderthalb Jahren nach Birsfelden in die Schweiz reisten, um mit den Bewohnern der Kleinstadt ein Krimistück zu entwickeln, ahnten sie nicht, dass die Corona-Krise sie bald zwingen würde, einen anderen Raum als die Bühne zu finden, um ihre Inszenierung „Twin Speaks“ vor Publikum aufführen zu können. Not macht erfinderisch: Das Theaterkollektiv fand einen ziemlich originellen Weg, um mit seinen Zuschauern in Kontakt treten zu können: Es hat die Inszenierung kurzerhand in einen Telegram-Chat verlegt. Und hat Erfolg mit dem WLAN-Theater. „Bei unserem Gastspiel in Berlin haben insgesamt 700 Leute teilgenommen“, berichtet Kristofer Gudmundsson. Am kommenden Wochenende, 23. und 24. Mai, bereichert die Inszenierung jeweils um 18 Uhr den Online-Spielplan des Schlosstheaters in Moers.

Für das Kollektiv erwies es sich als Vorteil, dass das Medium Film in seiner Inszenierung von Anfang an eine wichtige Rolle spielen sollte – und zwar in einem Mix aus Fernsehfilm, Doku-Fiction und Mystery. In Corona-Zeiten flimmert die filmische Ebene der Inszenierung auf den Screens der Zuschauer. Das komplette Bühnengeschehen wird aber in den Chat verlegt. „Wir sitzen im Homeoffice und speisen die Texte, Sprachnachrichten, Sticker und Videos live ein“, erläutert Regisseur Kristofer Gudmundsson das Konzept. Das Theaterkollektiv „vorschlag:hammer“ ist in Moers nicht unbekannt. Im Herbst 2018 brachte es mit dem Ensemble des Schlosstheaters die Inszenierung „Körperatlas“, eine Recherche über den menschlichen Organismus, auf die Bühne. Die Mitglieder entwickeln seit 2009 als Kollektiv Theaterproduktionen. Die Zusammenarbeit mit dem Schlosstheater wurde im Rahmen des Fonds „Doppelpass Plus“ der Bundeskulturstiftung möglich und bestand für den Arbeitszeitraum von insgesamt zwei Jahren in Form eines Kooperations-Dreiecks mit dem Schlosstheater und dem Roxy Birsfelden in der Schweiz. Die Kooperation steht unter dem Motto „Organismen“. „In Birsfelden haben wir uns dem Thema anders als in Moers angenähert. Hier haben wir die Kleinstadt als Organismus betrachtet“, erzählt das Mitglied des Theaterkollektivs.

„Wir sind in Jugendzentren, Seniorenwohnheime, Geschäfte und Fitnessstudios gegangen und haben die Leute gefragt, ob Sie bei unserem Projekt mitmachen wollen. So haben wir eine Vielzahl von Menschen kennengelernt. Die Offenheit war sehr groß.“ Die Filmsequenzen wurden an realen Orten in Birsfelden gedreht: im Hafen zum Beispiel, in der Natur, in Bars, Schulen und Hotels. Im Vorfeld fanden Workshops für interessierte Laien im Alter zwischen zwölf und 60 Jahren statt. „Es ging um Krimis und das Drehbuchschreiben“, erzählt Gudmundsson.

Das Stück „Twin Speaks“ ist eine klare Anspielung an David Lynchs Serie „Twin Peaks“. „In der Serie geht es ebenfalls um eine Kleinstadt, in der Mysteriöses geschieht“, erläutert der Regisseur weiter. Die in Birsfelden an der Produktion beteiligten Bürger tauchen nur im Film auf: „Auf der Bühne hätten wir gespielt.“ Neben Gudmundsson sind das Stephan Stock und Gesine Hohmann. Sie chatten jetzt anstatt zu spielen. „Wir haben viel Zeit investiert, um das ordentlich zu machen. Entstanden ist ein Kunstprodukt.“

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