Kirche in Moers „Brauchen keine neue Friedensethik“

Moers · Welche Position nimmt die Evangelische Kirche zum Krieg in der Ukraine ein? Der frühere EKD-Vorsitzende Nikolaus Schneider bezog in der Stadtkirche Stellung.

Nikolaus Schneider in der Moerser Stadtkirche.

Nikolaus Schneider in der Moerser Stadtkirche.

Foto: Norbert Prümen

Die Stimme des evangelischen Theologen Nikolaus Schneider hat Gewicht. In der Moerser Stadtkirche bezog der frühere EKD-Vorsitzende Postion zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, zu den Waffenlieferungen aus dem Westen und der christlichen Friedensethik, die 2007 in der EKD-Friedensdenkschrift nachzulesen ist. Muss die evangelische Kirche in Anbetracht des Kriegsszenarios mit allem Unerträglichen, was dieser Krieg zu bieten hat, ihre Position überdenken und sich neu ausrichten? Das war die zentrale Frage, um die es ging.

Der Krieg in der Ukraine spalte die Bevölkerung bei der Debatte, ob die Waffenhilfe richtig und gut sei, ob ein Frieden mit mehr Waffen gelinge, so Schneider. Die Frage nach dem Eingreifen der Nato werde gestellt. Die Angst vor einem Dritten Weltkrieg nehme zu. „Brauchen wir eine neue Friedensethik“, so seine Frage, die er nach allen Seiten hin beleuchtete und zu dem Schluss kam, dass sie tragfähig sei.

Nikolaus Schneider plädierte für eine bedingte Zustimmung zu militärischer Gewalt. Die EKD-Friedensgedenkschrift setzt auf Frieden mit weniger Waffen, bezeichnet jeden Krieg als ungerecht und als das Ergebnis von gescheiterter Politik. Zwar setzt die Schrift auf Gewaltfreiheit, „sie bietet aber die Möglichkeit einer rechtserhaltenden Gewalt“, so Schneider. Beispielsweise im Einklang und Rechtsrahmen mit internationalen Institutionen bei Notwehr, einer systematischen Menschenvernichtung und Genozid. Die Schrift verabschiedete sich 2007 von der Lehre des gerechten Krieges hin zum gerechten Frieden. „Ein Paradigmenwechsel und für mich wegweisend“, so Nikolaus Schneider.

Ein gerechter Friede sei aber nicht mit der absoluten Sicherheit vor Krieg gleichzusetzen, so der frühere EKD-Vorsitzende. Die Schrift schließe den Einsatz von militärischer Hilfe nicht aus, gebe aber der Diplomatie und der Politik mit Augenmaß und Mäßigung Vorrang. Der kaltblütige russische Angriff auf die Ukraine sei im Sinn der Schrift keine Zeitenwende der Politik, auch wenn dieser Krieg grundsätzlich die Ethik vor neue Fragen stellt, betonte Schneider. Nach Gottes Wille solle Krieg nicht sein, so das Grundbekenntnis der Schrift wie auch die Position des Weltkirchenrates von 1948. Die täglichen Bilder aus dem Kriegsgebiet, der Flüchtenden und der Gräueltaten seien unerträglich, wie auch Berichte über den Kriegsverbrecher Putin inklusive den kriegsverherrlichenden Bischöfen, allen voran der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill.

„Trägt die Friedensethik noch?“, fragte Schneider weiter in seinem Vortrag. Die Gedenkschrift allerdings sei kein Handbuch für die geistige und geistliche Auseinandersetzung, sondern gefragt sei verantwortungsvolles Handeln. „Geschichtliche Entwicklungen sind immer offen“, so Schneider. Sie sind als ein Prozess abnehmender Gewalt und zunehmender Gerechtigkeit zu verstehen.

Wie sehr die Moerser Stadtgesellschaft mit der EKD-Position beschäftigt ist, wie zwiespältig sie ist, offenbarte die anschließende Diskussion.

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