Theater in Moers 24 Stunden: Matthias Heße liest das „Manifest“

Ein Schauspieler, ein Zuschauer und Wolfgang Borcherts Text: Das ist Matthias Heßes Performance zum 8. Mai. Der Schriftsteller Borchert gehörte zu der Generation, der Nationalsozialismus und Krieg die besten Jahre raubten.

 Matthias Heße liest das „Manifest“ von Wolfgang Borchert.

Matthias Heße liest das „Manifest“ von Wolfgang Borchert.

Foto: Klaus Dieker

Das wird ein langer und intensiver Ritt durch die Nacht: Matthias Heße, Schauspieler am Schlosstheater in Moers, wird 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai Wolfgang Borcherts aufwühlenden Text „Das ist unser Manifest“ performen – 75 Mal hintereinander, geschätzte 24 Stunden lang.

Er wird dabei gefilmt, das Video live auf der Homepage des Schlosstheaters ausgestrahlt. Aber: Jeweils ein Zuschauer darf jeweils 20 Minuten lang auf dem Stuhl gegenüber Platz nehmen und als Augenzeuge an der ungewöhnlichen Performance teilnehmen und erleben, wie Heße immer wieder aufs Neue mit Borcherts Text ringt. „Ich bin ein Bühnenmensch. Meine Kunst ist der Dialog mit dem Publikum“, sagt Heße. Deshalb sei es für ihn nicht in Frage gekommen, die Performance nur im Internet zu streamen.

„Das ist unser Manifest“ hat der Schauspieler zum ersten Mal in seinen Zwanzigern gelesen. „Seither spukt der Text mir im Kopf herum: Er ist beeindruckend, sehr rau, und der Schmerz springt einen direkt an.“ Wolfgang Borchert (1921 bis 1947) war Schauspieler wie Matthias Heße. „Während ich im Wohlstand aufgewachsen bin, wurde Borchert von Faschismus und Krieg kaputt gemacht.“ So wurde Borchert zweimal wegen staatsfeindlicher Äußerungen und Zersetzung der Wehrkraft verurteilt. Er geriet 1945 an der Westfront in französische Gefangenschaft. Es gelang ihm, zu fliehen. Doch von den Folgen des Krieges erholte er sich nicht mehr. „Ich bin sozusagen sein Gegenstück. Mich hat niemand daran gehindert, meinen Beruf auszuüben. Gleichzeitig muss ich heute sehen, wie Rechtspopulismus wieder hoffähig wird. Dabei liegt nur ein Menschenleben zwischen Borchert und mir.“

Matthias Heße will sich dem Manifest 75 Mal schauspielerisch annähern. „Ich bin es dem Text und Bochert schuldig, dass ich es mir nicht so leicht mache, sondern an die Grenze der Belastbarkeit gehe.“ Dabei legt der Schauspieler keinen Wert auf äußerliche Mittel wie Bühnenbild und Requisite. „Ich versuche, den Text jedes Mal neu zu denken. Mit Improvisation und Entdeckerlust.“

Die Performance findet statt vom 8. Mai ab 12 Uhr bis zum 9. Mai, 12 Uhr, im Studio des Schlosstheaters. Sie ist kostenfrei. Voraussetzung ist aber eine Terminreservierung unter info@schlosstheater-moers.de.

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