Zur Ausstellung „Du Jude“ Antisemitisches Denken ist noch nicht verschwunden

Moers · Anlässlich der Ausstellung „Du Jude!“, die bis Ende Januar im Hanns-Dieter-Hüsch-Bildungszentrums, Wilhelm-Schroeder-Straße 10, zu sehen ist, sprach die RP mit Dr. Ulrich Steuten von der VHS Moers-Kamp-Lintfort und dem Vorsitzenden der Moerser „Gesellschaft für christlich–jüdische Zusammenarbeit“, Pfarrer Martin Behnisch-Wittig.

 Bürgermeister Christoph Fleischhauer, Martin Behnisch-Wittig (Vorsitzender der Gesellschaft für Christlich Jüdische Zusammenarbeit) und Dr. Ulrich Steuten (vhs-Fachbereichsleiter) eröffnen die Ausstellung.

Bürgermeister Christoph Fleischhauer, Martin Behnisch-Wittig (Vorsitzender der Gesellschaft für Christlich Jüdische Zusammenarbeit) und Dr. Ulrich Steuten (vhs-Fachbereichsleiter) eröffnen die Ausstellung.

Foto: pst

Wie beurteilen Sie die derzeit immer häufiger werdenden verbalen, aber auch handgreiflichen Attacken auf jüdische Mitbürger und deren Einrichtungen in Deutschland?

Dr. Steuten: Attacken auf jüdische Mitbürger zeigen, dass antisemitisches Denken und Handeln nicht gänzlich überwunden ist. Sie dürfen nicht als Bagatellen behandelt werden. Jüdisches Leben muss in Deutschland ohne Angst möglich sein.

Behnisch-Wittig: Möglicherweise sind sie deutliche Zeichen für eine Krise unserer Demokratie. Sie sind klar zu verurteilen, zu bekämpfen oder zu verhindern, und dies mit allen pädagogischen, polizeilichen und juristischen Mitteln des demokratischen Rechtstaates. Eine freiheitliche Gesellschaft zeichnet sich doch gerade dadurch aus, dass sie Minderheiten schützt.

Diese Ausstellung soll laut Ankündigung vor allem Jugendliche ansprechen. Warum?

Dr. Steuten: Jugendliche sollen angesprochen werden, weil es nach wie vor Antisemitismus in Deutschland gibt. Aber es gibt nur noch wenige Zeitzeugen, die aus eigener Erfahrung die Grausamkeit des Holocaust an nachfolgende Generationen weitergeben können. Deshalb ist es besonders für Jugendliche wichtig, dass sie durch zeitgemäße Medien davon  erfahren und aktuellen Formen antisemitischer Gewalt entgegen treten können.

Was dürfte bei dieser Ausstellung auch für ältere Besucher interessant sein?

Dr. Steuten: Warum die Ausstellung auch für Ältere interessant ist? Weil wir unsere Geschichte – einschließlich ihrer schändlichen Seiten – nicht vergessen dürfen

Behnisch-Wittig: Dadurch dass die Ausstellung das Thema Antisemitismus aus verschiedenen Blickwinkeln darstellt, bietet sich jedem die Möglichkeit, die eigenen Denkgewohnheiten in Frage zu stellen. Dies ist wichtig und hilfreich für Menschen jeden Alters. Die Geschichte des Antisemitismus wird genauso betrachtet wie Antisemitismus aus unterschiedlichen politischen Richtungen oder Religionen. Antisemitisch sind eben nicht immer „die Anderen“, sondern wird leicht auch in den „besten Familien“ geredet und gehandelt.

 Pfarrer Martin Behnisch-Wittig und Ulrich Steuten (v.l.).

Pfarrer Martin Behnisch-Wittig und Ulrich Steuten (v.l.).

Foto: pst

Ist die neue Judenfeindlichkeit tatsächlich speziell oder vielleicht Teil einer allgemeinen Feindlichkeit gegenüber fremden Religionen?

Behnisch-Wittig:  Wir brauche einen langen Atem im Engagement gegen jede Form des Antisemitismus, wenn diese Neuorientierung im christlich-jüdischen Dialog das Miteinander verschiedenster Menschen  in unserer Gesellschaft auf Dauer prägen soll. Vielleicht brauchen wir dazu auch andere, neue Formen des gesellschaftlichen Dialogs. Ich halte diese Ausstellung für ein gutes Beispiel dafür. Wer weitere Ideen hat, wer sich engagieren möchte, ist herzlich eingeladen, sich bei uns einzubringen. Wir können Unterstützung gut gebrauchen.

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