Silicon Moers HMM digitalisiert Rezepte und Abläufe

MOERS · Das Moerser IT-Unternehmen bringt sei 2006 den nationalen Gesundheitsmarkt in Bewegung.

 Die Geschäftsführer Michael Bohl (links) und Istok Kespret beraten sich im Freizeitraum der Firma.

Die Geschäftsführer Michael Bohl (links) und Istok Kespret beraten sich im Freizeitraum der Firma.

Foto: Dieker, Klaus (kdi)

Was passiert mit elektrischen Rollstühlen, wenn die Fahrer zu gebrechlich werden, um diese zu fahren? Als sich 2006 die HMM GmbH in Moers aus Vorgängerunternehmen gründete, wurde sie von mehreren Krankenkassen angesprochen, eine Lösung zu finden. Verblieben in den frühen Nullerjahren doch die Rollstühle bei den Patienten, um später in Hilfstransporte zu gehen oder verschrottet zu werden. „Dabei kostet ein Rollstuhl mit elektrischem Antrieb mehrere tausend Euro“, erläutert HMM-Geschäftsführer Michael Bohl (47). „Die Krankenkassen wollten die Rollstühle ein zweites und drittes Mal verwendet wissen, vor allem mit Blick auf die Gebühren.“

Das war nicht einfach. Die Rollstühle waren inklusive ihrer Besitzer zu erfassen. Sie waren zu reinigen und einer Inspektion zu unterziehen, bei der defekte Teile zu ersetzen waren, bevor sie ein zweites Mal in Betrieb gehen konnten. Deren Bestände in den Orthopädiehäusern waren ebenfalls zu erfassen und zu verwalten. Gleichzeitig hatten die Rezepte und Abrechnungen, die es im Gesundheitswesen stärker als in anderen Branchen gibt, parallel zu laufen und abgearbeitet zu werden.

Das sollte papierlos geschehen, also digital, was mit verschiedenen Akteuren, wie Patienten, Ärzten, Orthopädiehäusern, Krankenhäusern und Krankenkassen, nicht einfach ist, zumal sie unzählige Schnittstellen haben und im Gesundheitswesen der Datenschutz eine besondere Rolle spielt.

Die HMM entwickelte eine eigene Software, damit elektrische Rollstühle ein zweites und ein drittes Mal in Dienst gehen konnten. Weil diese so gut war, klopften die Krankenkassen an, um weitere Abläufe rund um Rezepte, Abrechnungen und Bestände digital zu organisieren und abzuarbeiten, um sie effizienter zu gestalten. Damit setzte sich der nationale Gesundheitsmarkt in Bewegung, während die Abläufe in Papierform Schritt für Schritt digital ersetzt werden. Dabei stieß die HMM zunächst personell an Grenzen. „Programmierer und Softwareentwickler sind in Deutschland kaum zu finden“, berichtet Istok Kespret (52). „Alle haben eine Anstellung.“ Deshalb entschied sich die GmbH, neben ihrem ihren Hauptstandort am Eurotec-Ring einen zweiten größeren Standort für die Softwareentwicklung aufzubauen, neben kleineren Vertriebsstandorten in Hamburg, Berlin sowie Frankfurt an der Oder. Sie wählte die Stadt Cluy-Napoca in Siebenbürgen in Rumänien aus, die bis 1920 Klausenburg geheißen hatte, heute eine Universität besitzt und mit über 300.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Rumäniens ist. Heute entwickeln dort 70 Mitarbeiter Software, also ein knappes Drittel aller 225 Mitarbeiter, die von der HMM insgesamt beschäftigt werden.

„Unsere Mitarbeiter in Cluy-Napoca sprechen Rumänisch als Muttersprache, ein hervorragendes Englisch, die Sprache der IT-Technologie, und ein gutes Deutsch“, berichtet Istok Kespret. „Natürlich bekommt ein IT-Entwickler in Rumänien weniger Gehalt als in Deutschland, wobei auch Mieten und Lebensunterhalt günstiger sind. Gleichzeitig hat die HMM einen höheren Organisationsaufwand, weil ständig Mitarbeiter aus Deutschland in Rumänien sind und umgekehrt, um sich bei Projekten abzustimmen. Einsparungen und höherer Organisationsaufwand halten sich die Waage. Aber für uns gibt es nur diese Lösung. Hier in Deutschland könnten wir die IT-Entwickler nicht bekommen, die wir brauchen.“

Auch der Markt für gute Bürokaufleute und Manager ist in der Bundesrepublik leergefegt. Deshalb bietet das IT-Unternehmen seinen Mitarbeitern ein besonderes Arbeitsumfeld an, um sie an sich zu binden. Sie können zum Beispiel in einer Lounge auf Sitzkissen entspannen, sich beim Kicker oder Billard besser kennen lernen und dabei neue Ideen entwickeln. Sie können auf Schulungen, die die HMM zusammen mit Krankenkassen organisiert, etwas über richtige Ausgleichsbewegung oder gesunde Ernährung erfahren. Oder sie können sich bei den regelmäßigen „After-Work-Treffen“ untereinander austauschen. „Wir freuen uns über ein gutes Miteinander und fördern es“, sagt Michael Bohl. „Nur so können gute Ideen entstehen.“

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