Pfingsten in Moers Moers Festival legt den Fokus auf vier Länder

Moers · 99 Konzerte an 35 Spielorten, Musiker aus aller Welt: Das ist das Moers Festival 2019. Vier Länder stehen vom 7. bis 10. Juni besonders im Mittelpunkt.

 Rodrigo Brandao, Poet aus Sao Paulo.

Rodrigo Brandao, Poet aus Sao Paulo.

Foto: Moers Festival

Sie gehört zu den größten Städten dieser Welt: Sao Paulo in Brasilien hat zwölf Millionen Einwohner, pulsiert Tag und Nacht und ist ein Schmelztiegel der Kulturen. Tim Isfort tauchte im März für fünf Tage in die Riesen-Metropole ein und erforschte die Musikszene dieser Stadt. „Ich reise selten zu den Orten, an denen sich immer alle Festivalmacher treffen. Ich suche lieber Projekte aus, die man auf den anderen Festivals nicht findet“, erzählt der künstlerische Leiter des Moers Festivals.

 La Colonie de Vacances aus Frankreich.

La Colonie de Vacances aus Frankreich.

Foto: Moers Festival

In Sao Paulo wurde er dank des Musikjournalisten Zjakki Willems, der in den letzten 20 Jahren viel Zeit in Brasilien verbracht hat, fündig: Er schleuste den Moerser Festivalmacher durch die Stadt, ihre Kulturzentren und hinein in die bewegte Musikszene. Sie besuchten den Komponisten, Sänger und Multiinstrumentalisten Tom Zé zu Hause. „Ich wollte ihn unbedingt einmal treffen. Er war in den späten 1960er Jahren einer der Mitbegründer des Tropicalismo, eine Bewegung, die sich kritisch mit dem politischen System in Musik, Kunst und Theater auseinandersetzte. Tom Zé ist trotz seiner 82 Jahre der Rebell geblieben“, erzählt Tim Isfort. In Zés Wohnung erzählte der Festivalchef von seinem Moers Festival. „Er hat ganz große Augen gemacht. Eigentlich wollte er nicht mehr nach Europa reisen. Aber wir haben ihn bekommen“, freut sich Tim Isfort. Tom Zé wird am 9. Juni in einem Sonderprojekt mit Gästen in der Festivalhalle auftreten. Wie lebendig die Musikszene in Sao Paulo ist, sollen auch die anderen Künstler beweisen. So wird sich die Gruppe Metá-Metá mit der in Brasilien erfolgreichen Band Passo Torto zum Clube da Encruza zusammen tun. „Das sind zwei Bands, die sich aus der quirligen Szene kennen“, sagt Isfort. Sie werden in Moers in sechs verschiedenen Kombinationen auftreten. Die Schlagzeugerin Maria Portugal wird Teil des Global Improviser Orchesters sein. Eine Zufallsentdeckung ist hingegen Rodrigo Brandao, den Isfort in einem Kulturzentrum in Sao Paulo traf. „Er ist total jung und extrem ausdrucksvoll.“ Brandao, Spoken-Word-Poet, wird unter anderem zusammen mit Marshall Allen auf dem Festival zu erleben sein. Der Senior unter den Musikern leitet seit 1995 das Sun Ra Arkestra. Insgesamt 15 Musiker reisen aus Sao Paulo nach Moers.

 Hayden Chisholm bringt die Kafana nach Moers.

Hayden Chisholm bringt die Kafana nach Moers.

Foto: Dieker, Klaus (kdi)

Einen weiteren Fokus legt das Moers Festival auf die japanische Musikszene. „Es kann doch nicht sein, dass so lange kein Japaner mehr in Moers war“, erläutert Tim Isfort die Motivation und erinnert an die Zeiten von Burkhard Hennen, der enge Kontakte zu den Musikern in Japan pflegte. Unvergessen sind die Auftritte von Shibuza Shirazu in Moers. Isfort, der nicht selbst nach Japan reiste, lud das „Japanese New Music Festival“ ein. Es wird mit neun Auftritten das Moers Festival unterwandern. „Dahinter verbergen sich drei Leute, die in verschiedenen Kombinationen auftreten und mit den Klischees spielen“, erläutert der künstlerische Leiter des Moers Festivals. Mit dabei ist das Tokioter Yasei-Collective, das laut Isfort irgendwo zwischen Pop, Dekonstruktion, Humor und Unfug unterwegs ist. Außerdem tritt der Improviastionskünstler Toshimaru Nakamura auf, der mit elektronischen Schaltkreisen experimentiert. „Er arbeitet nur mit einem Mischpult und holt seine Sounds aus den Nebengeräuschen“, erklärt Isfort.

 Zwei vom Janpanese New Music Festival.

Zwei vom Janpanese New Music Festival.

Foto: Moers Festival

Ein in Moers alter Bekannter steht für den dritten Länderschwerpunkt des Festivals: Serbien. Hayden Chisholm, Saxofonist, Improviser in Residence 2015 und Neuseeländer, ist 2017 in die Balkan-Szene in Belgrad eingetaucht. Von dort bringt er zum Moers Festival eine mehr als 100 Jahre alte Musik und die Kafana mit. Die „Kafana“ ist eine der wichtigen Institutionen in Serbien, eine Art Taverne. „Dort wird Politik gemacht, und es werden immer die alten Lieder gesungen“, weiß Isfort. Die erste ihrer Art wurde vor mehr als 400 Jahren in Belgrad eröffnet, 2019 hat das Moers Festival eine eigene Kafana im Festivaldorf, mit rot-weiß eingedeckten Tischen. „Chisholm bringt drei Formationen mit. Alle Mann kommen im Auto nach Moers“, erzählt der Festivalchef. Chisholm hat auch das Balkan Realbook im Gepäck dabei. Der vierte Länderschwerpunkt war laut Isfort eigentlich nicht geplant: Frankreich.

Der Moerser Festivalchef hatte eine anderes Land in Blick: Nord-Korea. „Wir waren schon richtig weit, und dann kam erneut eine Absage aus Pjöngjang. Ja, und dann haben wir gemerkt, dass wir sieben französische Bands eingeladen hatten“, erzählt er. Mit dabei sind der betronische Dudelsackspieler Ervan Keravec, Abacaxi mit ihren Audioschnipseln, die Band BaKos mit einem wilden Mix aus Electro, Rock und Jazz, sowie das Riesenorchester La Colonie de Vacance, das das Moers Festival am Pfingstmontag beschließen wird.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort