Moers Festival Ein „Dorf“, in dem sich die Welt trifft

Kein Moers Festival ohne den Händlermarkt und das bunte Treiben der Besucher, von denen viele seit Jahren immer wieder kommen.

 Eine spontane Trommelsession im Park.

Eine spontane Trommelsession im Park.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Sein Vater tut manchmal peinliche Dinge. Spricht Leute an, obwohl er sie nicht kennt, erzählt Geschichten von früher. Doch das hat Leon Meier (19) noch nie davon abgehalten, mit ihm das Moers Festival zu besuchen. Schon als kleiner Junge ist er mit seinem Papa durch den Schlosspark gelaufen, hat sich zu den freundlichen Menschen mit den Instrumenten gesellt und von ihnen ein Grillwürstchen bekommen. Hat der Musik gelauscht, die Klänge aus anderen Kulturen auf sich wirken lassen.

Heute sitzen Leon und sein Vater Robert Meier (59) auf einer Bank aus Paletten nahe der Enni-Eventhalle. Auf der Dorfbühne improvisieren der Dudelsackspieler und der Trompeter von White Sands. Die Meiers unterhalten sich mit einem Mann, den sie erst vor wenigen Minuten kennengelernt haben. Sein Name ist Reinhold Möhring (63), er hat sich ein Bandana um den Kopf gebunden und trinkt Bier. Vor einigen Tagen ist von einer Wanderung über den Jakobsweg zurückgekehrt, ist noch erschöpft von der langen Reise. Doch das Moers Festival gehört für den Rentner an Pfingsten dazu wie das Familientreffen zu Weihnachten.

 Menschen aller Generationen ließen es sich gut gehen.

Menschen aller Generationen ließen es sich gut gehen.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

In den siebziger Jahren kam er das erste Mal mit dem Wohnmobil von Bonn nach Moers, hörte Musik live, die er sonst nur von seinen Jazzplatten kannte. „Seitdem hat sich das Festival sehr verändert“, sagt er. Früher sei alles gemeinschaftlicher gewesen, man habe geteilt. Leon nickt. Er hat schließlich immer ein Grillwürstchen im Park bekommen. „Später wurde es wilder, es gab Schlägereien und alles wurde zugemüllt“, meint Möhring. Da habe er dann zehn Jahre Pause von Moers und seinem internationalen Festival gebraucht. Seit vier Jahren ist er wieder dabei, beobachtet die Entwicklung, die das Fest seitdem durchlebt hat. Die Dorfatmosphäre, die der künstlerische Leiter Tim Isfort rund um die Eventhalle geschaffen hat, gefällt ihm.

Es gibt einen großen Markt mit Händlern, die vier Tage lang alles anbieten, was das Hippieherz begehrt – bunte, weite Hosen, muschelbesetzte Flip Flops, Räucherstäbchen mit Aloe-Vera-Geruch. Da ist eine Bühne, auf der gute Musiker improvisieren – Rock, Jazz, poppig, schnell, laut, manchmal langsam und melancholisch. An jeder Ecke duftet es nach einem anderen Gericht, mal sind es senegalesische Ndambé, gekochte Bohnen in Tomatensoße, mal Cachangas, frittierter Rot- und Weißkohl nach indianischer Art, dann wieder Popcorn oder Falafel, karamellisierte Eiswaffeln oder Papas rellenas, Kartoffelröllchen mit Frischkäse, wie sie schon die Inkas zubereitet haben sollen.

Robert Meier hat einen Crêpe gegessen, „aber den kriegt man ja an jeder Ecke“. Er möchte unbedingt noch etwas „Hipperes“ ausprobieren, zum Beispiel Falafel. „Es gibt ja auch Hanfbrot hier, da braucht man gar nichts mehr zu rauchen. Da ist der Hanf direkt drauf“, witzelt er. Sein Sohn schüttelt nur den Kopf. „Ach, Junge, bin ich dir wieder peinlich?“ „Wenn ich das jedes Mal ansprechen würde, Papa. Der Zug ist abgefahren, so bist du halt“, sagt Leon. Da prasseln die ersten Regentropfen nieder, die drei Männer flüchten zu den anderen Besuchern unter das große, zeltartige Dach der Bühne.

Der Schauer wird länger dauern, die Händler müssen sich überlegen, wie sie die Ware vor der Nässe schützen. Malbina (33) und ihre Kolleginnen Scarlett, Britta und Annika vom Start-up Widukinder haben große Regenschirme für ihre Kunden organisiert, damit sie sich in aller Ruhe die mit Leinsamen gefüllten Augenkissen, die Filzseife oder das Deo aus Waben anschauen können.

Malbina, die in vergangenen drei Jahren als Schäferin im Norden gearbeitet hat, ist auf ihren Reisen kreativ geworden: „Ich wollte nicht immer so viel mitschleppen und habe deshalb eine Seife hergestellt, die sich auch als Rasierer und als Reinigungsmittel nutzen lässt“, sagt sie. Sie hält ein Stück Seife hoch, das braun und eckig ist. Es fühlt sich an wie Schmiergelpapier. „Ist auch super für Festivalbesuche, deshalb kann man das hier in Moers gut verkaufen“, findet Malbina.

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