Theater in Moers Ein Fragment als Einladung zum Spiel

Moers · Anna-Elisabeth Frick inszeniert für das Schlosstheater Schillers Fragment „Die Polizey“. Die Regisseurin, die an vielen Theatern in Deutschland arbeitet, versteht Schillers Notizen, Figuren-Skizzen und Szenen-Entwürfe als Einladung zum Spiel.

 Regisseurin Anna-Elisabeth Frick arbeitet erstmals am Schlosstheater in Moers. In Wuppertal feierte sie gerade erst Premiere mit ihrer Inszenierung von Büchners „Dantons Tod“.

Regisseurin Anna-Elisabeth Frick arbeitet erstmals am Schlosstheater in Moers. In Wuppertal feierte sie gerade erst Premiere mit ihrer Inszenierung von Büchners „Dantons Tod“.

Foto: Norbert Prümen

Viel hat Friedrich Schiller mit seiner Materialsammlung über „Die Polizey“ Regisseuren ja nicht hinterlassen. Überliefert sind einige Seiten, Figuren-Skizzen, Szenen-Entwürfe und Notizen. Als das Schlosstheater Anna-Elisabeth Frick anbot, das Fragment für die Bühne zu realisieren, sagte die 32-jährige Regisseurin sofort begeistert zu. „Das ist genau mein Ding. Ich mag die Auseinandersetzung mit Texten, die noch nicht fertig geschrieben sind. Es ist geradezu eine Einladung, damit zu spielen und zusammen mit dem Ensemble ein Stück zu entwickeln. Es ist ein großes Fest.“

Das Fragment wirft aus Sicht der Regisseurin spannende Fragen auf: Was hat das Thema mit uns heute zu tun? Worin besteht das Verbrechen? Wie viel Freiheit gibt man dem Einzelnen? Würde eine Welt ohne Polizei funktionieren? Oder könnte sie sogar einen ganz anderen Auftrag haben? „Schiller hat ja versucht, mit seinem ästhetischen Ideal an das Thema heranzugehen“, sagt die Regisseurin. „Die Polizey“ spielt in einer Pariser Polizeibehörde zur Zeit des Ancien Regimes. Dort verhandelt Schiller nicht nur Recht und Ordnung, sondern beschäftigt sich auch mit der Frage, wie das „gute und sittliche Gemeinwesen“ wohl aussehen könnte. „Dabei stellt er auch die Frage, ob dies durch die Erziehung des Einzelnen möglich sei. Doch wer sind wir, zu glauben, anderen unsere Wahrheit aufzuzwingen?“, hinterfragt Anna-Elisabeth Frick.

Die 32-Jährige arbeitet als freie Regisseurin. Gerade erst feiert sie in Wuppertal mit ihrer Inszenierung von Büchners „Dantons Tod“ Premiere. Demnächst stehe eine Arbeit zum Thema Transgender am Residenz-Theater in München an. Weitere Regie-Aufträge führen sie in diesem Jahr noch nach Potsdam und Kiel. „Ich übernehme fünf bis sechs Inszenierungen im Jahr“, erzählt die gebürtige Darmstädterin, die heute in Mannheim lebt. Ein Thema, das sie immer wieder neu fesselt, sei der Mensch, der aus der Gesellschaft gefallen scheint, der Ausgestoßene. Den Entschluss, den Regie-Beruf zu ergreifen, habe sie schon früh gefasst. Als Schülerin sei sie Mitglied im Theaterchor am Staatstheater in Darmstadt gewesen. „Wir waren damals Teil einer Opern-Inszenierung. Der Regisseur hat mich beeindruckt, wie er seine Ideen realisierte – von der Beleuchtung über die Technik bis zum Spiel. Das fand ich toll: Was der Mann machte, wollte ich auch machen“, erzählt Frick, die aus einer Musikerfamilie stammt. Als Regisseurin könne sie, sagt die 32-Jährige, Welten schaffen und Bilder entstehen lassen. Das mache den Reiz ihres Berufes aus. Ihr Werdegang liest sich dementsprechend konsequent. Sie studierte Germanistik und Kunstgeschichte an der Universität zu Köln, Ca’Foscari Università Venezia und schloss an der Freien Universität in Berlin ab. Anschließend studierte Frick das Fach Regie an der Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburg. Mit ihrer Arbeit „Die Unerhörte“ gewann sie beim Körber Studio für junge Regie 2016 am Thalia Theater in Hamburg. Am Schlosstheater in Moers inszeniert die 32-Jährige zum ersten Mal. Der Kontakt kam über Dramaturgin Viola Köster zustande. Frick, die oft an großen Häusern arbeitet, gefällt die Zusammenarbeit mit dem fünfköpfigen Ensemble. „Ich brauche für meine Inszenierungen nicht die große Maschinerie.“ Für das Schiller-Stück bringt sie ihre eigene Bühnenbildnerin nach Moers mit: Martha Pinsker wird das Schloss als Polizeihauptquartier einrichten: Dort werden Verbrechen begangen und aufgedeckt. Und zwischen Krimi und Komödie wird so manch Utopie entwickelt. Mit Pinsker arbeitet die Regisseurin oft und gerne zusammen. Man inspiriert sich gegenseitig, sagt sie. Für die Musik, die Atmosphäre schafft, zeichnet diese Mal Bassist Hannes Strobl verantwortlich.

Die Inszenierung „Die Polizey“ ist Teil einer großen Theaterreise, zu der die Ruhr-Bühnen am 30. und 31. Oktober einladen. Unter dem Titel „Zehn X Freiheit“ präsentieren sie nach dem Corona-Stillstand zehn Premieren an zwei Tagen. Beteiligt sind die Theater in Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Moers, Mülheim und Oberhausen. Das Theaterprojekt, das unter dem Thema „Freiheit“ steht, soll die „Vielfalt und den künstlerischen Reichtum der Theaterregion Ruhr“ darstellen, heißt es in einer Pressemitteilung.

Es handelt sich um eine Kooperation von Regionalverband Ruhr, Ruhr-Bühnen und der Ruhr-Tourismus GmbH. Gefördert wird die Theaterreise vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.

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