Erinnerungskultur in Moers Adolfiner besuchen Auschwitz

Erinnerungskultur: Lehrer und Schüler reisen seit zehn Jahren zu der Gedenkstätte.

Die Anreise nach Auschwitz bezeichnet André Remy als beschwerlich. „Sie dauert 16 bis 18 Stunden“, erzählt der Geschichtslehrer des Gymnasiums Adolfinum. „Nachmittags geht es los. Am nächsten Vormittag sind wir mit den Bussen da.“ Obwohl es eine Anstrengung ist, nehmen seit 2009 jedes Jahr mehr als 200 Schüler und Lehrer sie in Kauf, um in einer Projektwoche zur Gedenkstätte im Süden Polens und nach Krakau zu reisen. Am Donnerstagabend lud das Gymnasium zu einem Festakt ein, um mit Schulleiter Hans van Stiphoudt auf zehn Jahre Erinnerungskultur zurückzublicken.

Die Fahrt ist das größte Projekt des Gymnasiums, das den Schulalltag wie ein roter Faden durchzieht. Alle Zehntklässler können am Freitag, der eine Woche vor Beginn der Schulferien liegt, nach Oswiecim fahren, wie die Stadt bei Krakau heute heißt. „Die Freiwilligkeit ist uns sehr wichtig“, sagte Lehrerin Maria Vollendorf-Löcher beim Festakt. „Sie gilt seit Anfang an. Trotzdem fahren fast alle Schüler mit.“ Die Zehntklässler werden in Kleingruppen ab Januar von Mitschülern, Teamern genannt, auf die Fahrt vorbereitet. Sie haben die Gedenkstätte bereits besucht und sprechen mit den Zehntklässlern die Fahrt vor, besuchen Orte, die in der Grafenstadt von der jüdischen Geschichte erzählen, zum Beispiel den Bogen in der Altstadt, wo einst die Synagoge stand. Sie werden an einem Wochenende Mitte Januar in der Akademie der Gedenkstätte Vogelsang, die nahe des Rursees in der Eifel liegt, für ihre Aufgabe geschult. Um zu zeigen, wie dauerhaft diese Zusammenarbeit ist, planen Akademie und Gymnasium, einen Kooperationsvereinbarung zu unterzeichnen. Diese ist bereits ausgearbeitet und sollte beim Festakt besiegelt werden. Doch die Vertreterin der Akademie brach die Anreise aus der Eifel aufgrund eines Verkehrschaos’ ab. Die Teamer fahren manchmal mehrere Male mit nach Auschwitz, wie Daniel Stenger und Noel Telizin beim Festakt erzählten. Sie lernen auch, Schüler zur Seite zu nehmen, wenn sie den Schrecken fühlen, beispielsweise während sie einen Berg von Kinderschuhen sehen, deren Träger von Nationalsozialisten ermordet wurden.

Auch wenn die Fahrt nach Auschwitz das bedeutendste Projekt des Gymnasium Adolfinum ist, bei der vor den Sommerferien 240 Schüler, Teamer und Lehrer dabei waren, ist es nicht leicht, es zu finanzieren, weil es einen hohen fünfstelligen Betrag kostet. „Die Schüler bezahlen 270 Euro“, erzählte Remy. „Fast der gleiche Beitrag kommt noch einmal durch Einzelspender, den Verein der Freunde und Förderer sowie verschiedene Stiftungen herein.“ Der Essener Kunstpädagoge Martin Domagala begleitete eine Kleingruppe mit der Kamera. Das Ergebnis ist eine 52 Minuten langer Film, der beim Festakt gezeigt wurde. Im Mittelpunkt stehen Wahrnehmungen und Gefühle, die Schüler vor, während und nach dem Besuch von Auschwitz haben.

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