Lungenfacharzt aus Moers Welche Lehren Thomas Voshaar aus Corona zieht

Moers · Masken, Impfung, Kontrolle: Wozu der Moerser Lungenfacharzt sowie weitere Mediziner und Wissenschaftler in Bezug auf eine mögliche neue Pandemie raten.

Einen Kontakt mit in der Luft schwebenden Viruspartikeln könne man trotz Maske im normalen Leben nie vermeiden – auch weil alle Masken eine Leckage haben, sagen die Unterzeichner des Sokrates-Papiers.

Einen Kontakt mit in der Luft schwebenden Viruspartikeln könne man trotz Maske im normalen Leben nie vermeiden – auch weil alle Masken eine Leckage haben, sagen die Unterzeichner des Sokrates-Papiers.

Foto: dpa/Marijan Murat

Vieles hätte anders laufen können, ja sogar anders laufen müssen, denn vieles war von Beginn an bekannt. Das sagt Thomas Voshaar im Rückblick auf den Umgang mit Corona in Deutschland. Seit Beginn der Corona-Pandemie Anfang 2020 gehört der Chefarzt der Lungenklinik am Bethanien-Krankenhaus, der durch das „Moerser Modell“ bei der Behandlung von Covid-Erkrankten weit über die Grenzen der Grafenstadt hinaus bekannt wurde, zum Team „Besonnenheit“. Politische Entscheidungen in Bezug auf Corona hat er oft kritisch gesehen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Welche Lehren Voshaar aus der Pandemie zieht, hat er jetzt erneut in einem von elf weiteren Medizinern und Wissenschaftlern sowie Ex-NRW-Landtagsvizepräsident Oliver Keymis unterzeichneten Positionspapier des Vereins ‚Sokrates – kritische Rationalisten‘ skizziert. Das sind die Eckpunkte.

Eine Infektion lässt sich praktisch nicht verhindern Schon länger sei bekannt gewesen, dass sich Viren bei manchen Menschen im Nasen-Rachenraum oder auch in anderen Organen langfristig festsetzen können, schreiben die Wissenschaftler in ihrer Arbeit. Auch Haustiere könnten Virenträger sein. Damit sei jeder Versuch einer Virusvernichtung durch radikale Quarantänemaßnahmen (Null-Covid-Politik) von vornherein zum Scheitern verurteilt. Daraus wiederum folge, dass vorbeugende Testungen oder Quarantäne von infizierten Personen die Ausbreitung praktisch nicht hemmten. In der Breite seien diese Maßnahmen also sinnlos. Weiterhin seien landesweite Lockdownmaßnahmen sowie Grenz-, Schul-, Universitäts- oder Kitaschließungen in der Regel nicht nötig. Bei der Corona-Pandemie, sagen die Sokrates-Mitglieder, seien sie wirkungslos gewesen. Begründet seien entsprechende Maßnahmen vielmehr nur dann, wenn eine Pandemie so viele schwere Verläufe verursacht, dass die medizinische Versorgung in den Praxen und Kliniken nicht mehr gewährleistet wäre. Nur in einem solchen Fall müsse die Ausbreitung verzögert werden.

Verzicht auf invasive Beatmung erhöht Überlebensrate In der Coronapandemie sei der Schweregrad der Entwicklung anfangs nicht absehbar gewesen, räumen auch die Verfasser des neuesten Sokrates-Papiers ein. Etwa bis zum zweiten Halbjahr 2020 jedoch habe sich gezeigt, dass keine bundesweite Überfüllung der Kliniken und insbesondere keine der Intensivstationen vorlag, heißt es weiter: „Im Gegenteil, die Überlebensrate war deutlich höher, wenn Patienten mit Covid-19 nicht auf solche Intensivstationen kamen, die bereits bei geringem Sauerstoffabfall intubierten und beatmeten oder gar eine extrakorporale Sauerstoffversorgung (ECMO) anwendeten. Die Intubation und Beatmung stehe zwar in vielen Leitlinien, sei jedoch pathophysiologisch nicht begründet und habe zudem viele unerwünschte Nebenwirkungen. Bei vergleichbarem Schweregrad lag die Mortalität bei Covid-19 auf Intensivstationen in Deutschland mit invasiver Beatmung konstant über 60 Prozent. Wurde nicht invasiv beatmet, lag die Todesrate konstant unter zehn Prozent.“

Eine durchgemachte Infektion schützt – bei einer erneuten Infektion mit einer späteren Virusmutante – besser als die Impfung vor einem weiteren schweren Verlauf „Die Antikörperspiegel wissenschaftlich als Hauptschutz gegen Infektion Dritter, schwere Verläufe oder eine erneute Infektion zu sehen, war eine Übersimplifizierung beziehungsweise deutliche Fehlentwicklung bei der Coronapandemie“, sagen Voshaar und die Mitunterzeichner. Und weiter: „Dieser wissenschaftliche und politische Irrweg mit den entsprechenden G-Regeln wäre leicht zu verhindern gewesen. Es gehört seit Jahrzehnten zum Basiswissen der Immunologie, dass die breite zelluläre Immunreaktion mit ihrem Gedächtnis für die Antigene im Vordergrund der Immunabwehr steht.“

Masken verhindern nicht die Infektion Masken seien zum Eigenschutz effizient, insbesondere zur Reduktion großer Viruslasten, sagen die Wissenschaftler. Einen Kontakt mit den in der Luft schwebenden Viruspartikeln könne man aber trotz Maske im normalen Leben nie vermeiden; auch weil alle Masken eine Leckage haben.

Plastikschilde sind wirkungslos – insbesondere in Bussen Aus Letzterem ergibt sich laut Voshaar und Kollegen auch, dass Plastikschilde, zum Beispiel bei Verkaufstheken, nicht zur Reduktion der Viruslast führen, weil die Atemluft an den Rändern nicht Halt macht. Insbesondere in Bussen seien solche Schilde wirkungslos, heißt es – jedenfalls immer dann, wenn sie den Busfahrer nicht völlig isolierten, was nur sehr selten der Fall sei.

Eine landesweite Kontrolle der Infektionsverläufe, zum Beispiel durch Gesundheitsämter, ist illusorisch „Für die enorm großen Datenmengen ist bei uns die Infrastruktur nicht vorhanden, und es lohnt sich auch nicht, diese vorzuhalten“, schreiben die Verfasser des Sokrates-Papiers. Zur Überwachung einer Pandemie seien vielmehr wenige, über das Land verteilte ausreichend große Einheiten erforderlich, in der die relevanten Daten vorausschauend und mit hoher überprüfbarer Qualität erfasst werden.
Die Wirksamkeit der Impfung lässt sich derzeit nicht seriös bewerten „Eine Impfung gegen respiratorische Viren kann Infektionen verhindern, Verläufe abmildern und Todesfälle reduzieren“, sagt Voshaar. Allerdings sei die Effizienz nur durch nach dem Zufallsprinzip zugeordnete und kontrollierte Studien, also mit einer Placeboimpfgruppe, zu bestimmen. Beobachtungsstudien zur Wirkung einer Impfung bei denen zum Beispiel die Krankenhausaufnahme von Geimpften im Vergleich zu Ungeimpften untersucht wird, seien hingegen nicht verwertbar. Sie enthielten nämlich einen enormen systematischen Fehler, so der Mediziner: Impfwillige verfügten nicht selten über ein ausgeprägteres Gesundheitsbewusstsein, was zu einer gesünderen Lebensweise und, resultierend daraus, zu deutlich weniger Krankenhausaufnahmen und einer geringeren Sterblichkeit führe. „Da die überwiegende Mehrheit der Daten zur Bewertung der Impfstoffe bei der Coronapandemie aus Beobachtungsstudien stammt, kann derzeit keine gültige Bewertung der Wirksamkeit abgegeben werden“, so Voshaar. Gut durchdachte und vorurteilsfrei geplante Konzepte für die sicher kommende neue Pandemie seien deswegen bereits jetzt erforderlich.

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