Moers Kulturfestival beschäftigt sich mit "Heimat"

Moers · Eröffnet wurde "Last Exit Moers" in einem außergewöhnlichen Raum des Bergwerkes Pattberg vom DDR-Dissidenten Stephan Krawczyk. Organisator Konrad Göke plant im kommenden Jahr eine Neuauflage.

 Stefan Krawczyk mit seiner Gitarre auf der Bühne in einem Raum des Bergwerkes Pattberg: Aus der Maschinenhalle sollte beim Kulturfestival "Last Exit Moers" eine Menschenhalle werden.

Stefan Krawczyk mit seiner Gitarre auf der Bühne in einem Raum des Bergwerkes Pattberg: Aus der Maschinenhalle sollte beim Kulturfestival "Last Exit Moers" eine Menschenhalle werden.

Foto: Klaus Dieker

"Aus dieser Maschinenhalle wird durch Kunst eine Menschenhalle." Hatte sich der Lyriker und Musiker Stephan Krawczyk diese Worte ausgedacht, bevor er am Freitagabend im einstigen Bergwerk Pattberg die Kulturreihe "Last Exit Moers" eröffnete? Oder waren sie dem 60-jährigen Künstler und Liedermacher eingefallen, als er zwischen riesigen Elektromotoren und Wirbelstrombremsen in dem expressionistischen Backsteingebäude aus den 1920er Jahren saß, das eine morbide und gleichzeitig lebensbejahende Atmosphäre verbreitet? Keiner der 40 Zuhörer wusste das, auch nicht Dr. Konrad Göke, der sich über dieses Wortspiel freute. "Aus der Maschinenhalle wird eine Menschenhalle", zitierte der Organisator der "letzten Ausfahrt Moers" deshalb bei der Premiere den Künstler, als er ihn nach zwei Stunden Programm von der Bühne verabschiedete. Schließlich drückt dieses Wortspiel plakativ die Idee aus, die hinter der Kulturreihe steckt, die mit ihrer ersten Ausgabe das Thema "Heimat" beleuchtete. "Die Maschinenhalle stiftet Identität", berichtete am Freitagabend der 65-jährige Moerser. "Bis 1993 haben auf dem Bergwerk Pattberg 2500 Menschen gearbeitet. Alle in Repelen haben irgendwie mit diesem Bergwerk zu tun."

Allerdings schläft das markante Backsteingebäude, das nahe des Autobahnendes der A 42 liegt, einen Dornröschenschlaf, von dem es durch das Festival wach geküsst werden soll. "Viele wissen gar nicht, dass es diese Halle gibt", meinte Rainer Tyrakowski-Freese. "Mir war sie auch unbekannt." Doch der Leiter der Grafschafter Diakonie und Vorstand der Tuwas Genossenschaft lernte das Gebäude kennen, als Tuwas-Mitarbeiter es für das Festival vorbereiten. "Dieser Raum hat Atmosphäre", sagte er. "Wer möchte schon in einer nüchternen Mehrzweckhalle sitzen, wenn er außergewöhnliche Kunst erlebt."

Am Samstagabend stand Stephan Krawczyk auf der Bühne, der wie der humorvolle Dichter und Vorexpressionist Christian Morgenstern, den er seinen Seelenverwandten nennt, unerwartete Sichtweisen liebt. "Ich habe nichts gegen den Klimawandel", berichtete der DDR-Dissident, der von der Stasi inhaftiert worden war und Anfang 1988 seine thüringische Heimat Richtung BRD verlassen hatte. "Endlich haben wir einen schön langen Sommer."

Mit Gitarre und Akkordeon gab er sich als systemkritischer Liedermacher, der Heimat kulturgeschichtlich sieht. "Wir kommen nicht von irgendwo, sondern stehen im Kanon der großen Künstler", berichtete er in einer Liedpause, nachdem er sein Gedicht von der "Gelbäugigen Gänseblume" vorgetragen hatte, die - anders als eine Rose - einen Sturm überlebt, ohne ab- und einzuknicken. Wie er definierten die Lyriker, Musiker und Schauspieler das Wort "Heimat" alle auf ihre Weise, beispielsweise am späten Abend die Gruppe Kofelgschroa aus Oberammergau als Krautrock mit bayerischem Einschlag. "Heimat ist, wo dein Herz schlägt" sagte Brenda Boykin am Samstagabend. Oder mit Heimatklängen näherte sich am Sonntagmorgen der Chor der Bergleute dem Wort.

Donnerstag geht das Festival weiter, es endet Sonntag. Laut Göke soll es sich etablieren. "Ich will es noch viermal organisieren", sagte er. "2020 will ich das zum letzten Mal machen, weil ich dann 70 werde."

(got)
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