Moers Künstler verlegt acht neue Stolpersteine

Moers · Acht Moerser aus der Mattheck wurden gestern mit Stolpersteinen geehrt. Sie starben unter dem NS-Regime, weil sie als KPD-Mitglieder dem Nationalsozialismus Widerstand leisteten. Angehörige der Opfer erinnerten sich vor Ort.

 Gunter Deming setzt die neuen Stolpersteine an der Leipziger Straße in der Mattheck ein.

Gunter Deming setzt die neuen Stolpersteine an der Leipziger Straße in der Mattheck ein.

Foto: KLaus Dieker

Sonja Derkum (78) aus Asberg blickt auf die sechs, von weißen Margeriten und roten Rosen umrahmten Stolpersteine. Erst wenige Minuten ist es her, dass Künstler Gunter Demnig aus Köln die goldschimmernden Gedenkmarken in den Boden der Leipziger Straße gesetzt hat. Sie erinnern an Moerser KPD-Mitglieder aus der Mattheck, die unter dem NS- Regime verfolgt, verhaftet und ermordet wurden. Zu den Widerständlern gehörte Margarethe Hänel, Sonja Derkums Mutter.

Eine Träne stiehlt sich aus dem Augenwinkel der 78-Jährigen, als sie an die Zeit zurückdenkt, in der ihre Mutter verschwand. "Heute kommt alles hoch, das man so lange versucht hat, zu vergessen", sagt Sonja Derkum und ergänzt mit Blick auf die Menschenmenge, die sich bei den Stolpersteinen versammelt hat: "Trotzdem bin ich positiv überrascht, dass sich so viele Menschen an die Widerständler erinnern."

Die Widerständler aus der Mattheck - das waren Max Langusch und David Lewkovicz, die von den Nazis ermordet wurden, Hermann Brandenbusch und Georg Hirschmann, die trotz Verhaftungen an ihrer politischen Einstellung festhielten, sowie Hermann Schelinski, der 1941 an den Haftfolgen starb. Und Margarethe Hänel, zweifache Mutter, die ebenfalls ermordet wurde.

Am 4. Mai 1943 wurden die Eltern der damals vierjährigen Sonja Derkum - Adolf und Margarethe Hänel - verhaftet. Der Grund: Sie wurden verdächtigt, als Kommunisten einen Hochverrat gegen das NS-Regime vorzubereiten. Während ihr Vater zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, kam ihre Mutter nach der Haft ins Konzentrationslager Ravensburg. Dort starb sie im Alter von 41 Jahren. Bis zur Freilassung ihres Vaters wohnte Sonja Derkum bei ihrer Tante in Bergheim, dann zog die ganze Familie wieder in die Mattheck. Jedoch nicht in das alte Haus, Nummer 39. "Das war im Krieg ausgebombt worden", erinnert sich die 78-Jährige.

Heute lebt Sonja Derkum in Asberg, hat zwei Kinder und sechs Enkelkinder. "Meiner Familie geht es gut, wir sind wohlauf. Das ist das Wichtigste", findet die Moerserin. Dass nun ein Stolperstein auch andere Menschen an ihre Mutter erinnert, sei ein schönes Gefühl. "Ich brauche allerdings keinen Gedenkstein, um mich zu erinnern. Die Erinnerung an meine Mutter ist immer in meinem Herzen", betont Derkum.

Nicht nur die Geschichte von Margarethe Hänel berührt die Menschen auf der Leipziger Straße an diesem sonnigen Morgen. Die Schüler der Anne-Frank-Gesamtschule haben die Biografien der sechs KPD-Widerständler recherchiert und tragen sie den Moersern, die die Stolpersteinverlegung verfolgen, vor. Während ihres Vortrages herrscht respektvolles Schweigen.

Dass sich die Schüler so intensiv mit den Widerständlern beschäftigt haben, freut Bärbel Likar. Sie koordiniert seit vergangenem Jahr die Stolpersteinverlegungen. "Es ist besonders wichtig, dass die jüngeren Generationen die Geschichte unseres Landes kennen, damit sie daraus lernen können", erklärt die zweite Vorsitzende des Vereins Erinnern für die Zukunft (EfZ).

Später bricht Likar mit Künstler Gunter Demnig, anderen Vereinsmitgliedern und allen Interessierten auf zur Kirschenallee und anschließend zur Weseler Straße. Dort werden für Karl Rautenberg und Adolf Ende, ebenfalls KPD-Widerständler, die letzten Stolpersteine an diesem Tag verlegt.

(RP)
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