Moers Kriegs-Zeitzeugen berichten über die "Stunde Null"

Moers · Im Rahmen der Reihe "Erlebte Stadtgeschichte" erinnerten sich Moerser an das Kriegsende und die Zeit danach.

 Eine muntere Talkrunde beim SCI (von links) Wilhelm Brunwick, Renate Tschirner, Elke Kehl, Helga Terporten und Otto Laakmann.

Eine muntere Talkrunde beim SCI (von links) Wilhelm Brunwick, Renate Tschirner, Elke Kehl, Helga Terporten und Otto Laakmann.

Foto: kdi

Die "Stunde Null", mit ihr endete der Zweite Weltkrieg und begann gleichzeitig ein neuer Aufbruch. Viele ältere Moerser erinnern sich noch gut an diese Zeit. Vier davon, die langjährige Moerser Ratsfrau Helga Terporten, Renate Tschirner, Gründerin einer Selbsthilfegruppe für Familien mit drogengefährdeten Kindern, der Moerser Ehrenbürgermeister Willi Brunswick sowie der ebenfalls langjährig in der Stadtpolitik tätige Freidemokrat Otto Laakmann berichteten Dienstag Abend im SCI-Haus am Hanns-Albeck-Platz unter dem Titel "Stunde Null - erlebte Stadtgeschichte" über ihre ganz persönlichen damaligen Eindrücke und Erlebnisse. Als Moderatorin fungierte dabei Elke Kehl, ehemalige Lehrerin und Mitautorin des von der örtlichen VHS-Frauenwerkstatt vor drei Jahren veröffentlichten Buches "Frauen erzählen von ihrer Kindheit und Jugend in Moers".

Sie alle hatten viel zu berichten. So erinnerte sich der inzwischen 78-jährige Willi Brunswick zum Beispiel an eine Gruppe amerikanischer Soldaten, die an seinem vierten Geburtstag ins Haus kamen und seine eigentlich für ihn gebackene Torte aufaßen, die "Freveltat" dann später mit Eiern, Mehl und Zucker wieder gutmachten. Gleichzeitig schilderte er aber auch Gräueltaten, wie Prangerstrafen für ausgehungerte Fremdarbeiter und tödliche Prügelattacken gegen abgesprungene, feindliche Flugzeugpiloten.

Für die 1943 in Moers geborene Helga Terporten war die Kindheit vor allem von ihrem in dieser Zeit als Bergmann im Gewerkschaftsuntergrund agierenden Vater und ihrer in einer Nähstube der Awo tätigen Mutter geprägt. "Richtige Not habe ich eigentlich als Kind bewusst nicht erlebt", berichtete sie an diesem Abend. Ganz anders waren dagegen die Schilderungen von Renate Tschirner. Sie hatte das Kriegsende als Neunjährige nicht in Moers, sondern in der zum Schluss von Sowjetsoldaten eroberten, späteren "Ostzone" Deutschlands erlebt und dabei eine noch bis heute nachwirkende, erschütternde Vergewaltigung einer jungen Frau mitbeobachten müssen.

Otto Laakmann war als 1946 geborener Sohn eines Bornheimer Bauern an diesem Abend der Jüngste in der Podiumsrunde. In der Zeit, an die er sich noch erinnern konnte, ging es mit der neuen Bundesrepublik Deutschland bereits wieder merklich aufwärts. Seine Mutter durfte damals bereits die auf dem heimischen Hof erwirtschafteten Produkte frei auf dem Meerbecker Wochenmarkt verkaufen, wenn auch nicht immer nur für Geld, sondern bisweilen auch gegen tatkräftige Hilfe bei der Ernte.

Die nächste Veranstaltung im Rahmen der Moerser Vortragsreihe "Erlebte Stadtgeschichte" findet heute, 27. Oktober, um 18 Uhr im Moerser SCI-Haus, Hanns-Albeck-Platz 2 statt. Der Neukirchen-Vluyner Pädagoge Udo Baer referiert über das "Kriegserbe in der Seele". Der Eintritt ist frei.

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