Der Moerser Fraktionschef Ingo Brohl tritt an Landrat: CDU setzt auf Mann aus Wirtschaft

Wesel/Moers · Der Moerser CDU-Fraktionschef Ingo Brohl tritt 2020 gegen Amtsinhaber Ansgar Müller (SPD) an. Der 43-jährige ist Freund klarer Worte – und Gegenmodell zu Ansgar Müller.

Der Name blieb bis zur Vorstellung geheim – Ingo Brohl zählte zwar zum engeren Kandidatenzirkel für die Landratskandidatur; dass es der Moerser CDU-Fraktionschef tatsächlich würde, war dann doch eine Überraschung. Am Donnerstagmorgen hat der Kreisvorstand der CDU den Kandidaten in Wesel präsentiert. Brohl ist in vielerlei Hinsicht Gegenmodell zum Amtsinhaber Ansgar Müller (61). Der CDU-Herausforderer ist 43 Jahre alt, verheiratet, zweifacher Familienvater, Wirtschaftsjurist und im Moerser Kommunalparlament auch als Mann mit scharfer Zunge bekannt. „Ich habe Bock darauf“, sagte Brohl am Ende seiner Vorstellungsrunde im Bezug auf seinen neuen Wunschposten. Dass mit ihm ein frischer Verwaltungswind wehen könnte, sah man schon beim ersten Auftritt: Brohl kam ohne Krawatte. Seinen Pkw parkte er forsch direkt vor dem Eingang der CDU-Geschäftsstelle: stets abfuhrbereit.

Eine kleine Personalkommission unter der Kreisvorsitzenden Sabine Weiss hat den Kandidaten ausgewählt. Sieben bis acht Personen seien im Gespräch gewesen, sagte Weiss. Früh habe man sich auf Brohl verständigt. Der sei, als man ihn angesprochen habe, kurz überrascht gewesen. Die Tatsache aber, dass Brohl trotz seines Amtes als Erster Stellvertretender Kreisvorsitzender nicht Mitglied der Personalkommission war, dürfte ein Hinweis darauf sein, dass er die Anfrage nicht ganz unerwartet entgegengenommen hat. „Wir haben die richtige Mannschaft, jetzt haben wir auch den richtigen Kandidaten“, sagte Frank Berger als Fraktionschef der Kreis-CDU.

Die CDU hat noch nicht mit anderen Parteien gesprochen, bewusst keinen Vorab-Konsens gesucht. Die natürlichen Gesprächspartner im Kreis wären die Bündnispartner von „Jamaika plus“ – Grüne, FDP und Freie Wähler/VWG. Ingo Brohl will nun Kontakt aufnehmen, bei anderen Parteien dafür werben, dass die ihn unterstützen. Es sei aber zu erwarten, dass es diesmal sehr viele Landratskandidaten gebe, sagte Brohl. Nur Gespräche mit der AfD schloss Brohl aus. Die AfD sei eine rechtsnationale Partei. In ihrer gegenwärtigen Struktur könne man mit dieser Partei nicht zusammenarbeiten.

Ingo Brohl lebt in Moers, ist selbstständig tätig im Bereich Unternehmensberatung, lehrt zudem Kommunale Konzernsteuerung am Standort Recklinghausen der Westfälischen Hochschule im Fachbereich Wirtschaftsrecht. Bei der Landtagswahl 2017 gelang ihm zwar nicht der berufliche Wechsel nach Düsseldorf. Brohl verwies aber darauf, dass er damals das elftbeste Zuwachsergebnis der CDU im ganzen Land erreicht habe. Er ist Vorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU im Kreis Wesel, steht deshalb auch mit den anderen Kommunen in Kontakt. Brohl räumte aber ein, dass sein Name nun im ganzen Kreis bekannt werden müsse.

Er setze auf eine „loyale Verwaltung“, sagte Brohl - und nannte dabei auch die Namen des CDU-Verwaltungsvorstandsmitglieds Lars Rentmeister und von Kreisdirektor Ralf Berensmeier, der ebenfalls ein CDU-Anwärter auf den Landratskandidaten war. Gut möglich, dass man ihn bei einer anderen Wahl demnächst noch einmal als Kandidaten erlebt.

Brohl zeigt sich zuversichtlich, dass er die Unterstützung vieler CDU-Politiker erhält. Die Landtagsabgeordnete Charlotte Quik habe bereits zugesagt, ihn zu unterstützen. „Mein Kalender steht dir offen“, habe sie zu ihm gesagt, berichtete Brohl, der mit seiner Familie, Ehefrau, Kindern sowie Großeltern in den Ferien erst einmal drei Wochen auf die Insel Ameland fahren will.

Auch einen Teil seiner Agenda nannte Brohl am Donnerstag schon. „Ich möchte dem Kreis mehr Struktur geben“, sagte der 43-Jährige, der sich nicht scheute, auch beim Bürger unpopuläre Maßnahmen als erfolgreich darzustellen. So nannte er etwa die Teilprivatisierung der Niag, deren Fahrplan neuerdings ausgedünnter ist, als ein Erfolgsmodell. „Die Kommunen müssen da nicht mehr nachschießen“, erinnerte Brohl. Die Niag sieht er als Partner dabei, die Mobilitätswende zu schaffen. Auch die Hafenkooperation am Niederrhein habe Potenzial. „Verwaltung“ neu denken, nannte er als ein Credo.

Eine erste kleine Attacke auf den Landrat erlaubte sich Brohl auch schon. Mit Verweis auf die kleine Posse im Sommer 2018, als im Kreishaus zwei Aktbilder von Hobbymalern abgehängt werden mussten, sagte Brohl, dass es so etwas bei ihm nicht gegeben hätte. Auch kritisiert er den Landrat für seine Aussage, dass die Polizisten „bewaffnete Macht im Staate“ seien.

Das große Hobby von Ingo Brohl ist der Basketball. Der 1,96 Meter große Mann war früher Basketballtrainer einer Zweitligadamenmannschaft und eines Drittligaherrenteams. Neuerdings ist er wieder als unterstützender Trainer tätig – jetzt im Jugendbereich bei seinem eigenen Nachwuchs. In gewisser Hinsicht sei das Landratsamt mit dem Trainerjob vergleichbar, sagte Brohl. Hier wie dort gelte es, ein Team zu motivieren. Das sei seine Sache.

Dass er nun den Zug durch die Gemeinden wird unternehmen müssen, weiß der Kandidat. Die CDU hat ihn schon eineinhalb Jahre vor der Wahl nominiert. Sabine Weiss erläuterte, dass man diesen längeren Zeitraum bewusst gewählt habe, um den Kandidaten bekannt zu machen. Die Sorge, dass der Kandidat in diesem langen Zeitraum auch „verbrannt“ werden könne, habe man nicht. Schon früh also ist wieder Wahlkampf.

„Wir werden als CDU in Wesel für diesen Kandidaten laufen und das bestmögliche Ergebnis zu holen versuchen“, sagte Wesels CDU-Chef Sebastian Hense.

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