Krefelder rettet Moerser das Leben „Ich reanimierte wahrscheinlich etwa fünf bis zehn Minuten ununterbrochen“
Moers/Duisburg/Krefeld · Am Rande eines Drittligaspiels bricht der Moerser Heinz Hüsken zusammen. Stefan Frohwerk rettet dem 73-Jährigen das Leben – und verliert ihn danach aus den Augen. Wie Retter und Geretteter wieder zueinander fanden.
Das Leben schreibt erstaunliche Geschichten. Man könnte auch sagen, es lässt Wunder geschehen. Der Moerser Heinz Hüsken (73) hat ein solches Wunder erlebt. Am 29. Juli 2018 brach er zusammen. In der Schlange vor dem Kassenhäuschen an der MSV-Arena. Dort wartete er mit seinem Sohn Christian, um Karten zu kaufen für das Drittliga-Spiel des KFC Uerdingen gegen Unterhaching. Hunderte von Menschen standen und liefen herum. Polizisten waren im Einsatz. Keiner reagierte oder half. In Panik rüttelte Christian an seinem Vater, der sich nicht mehr regte. Er hievte seinen Oberkörper hoch und lehnte ihn an einen Baum. Er schaute sich hilfesuchend um und sagte, jemand solle einen Notarzt rufen.
Aus einer Entfernung von 150 Metern bemerkte Stefan Frohwerk, dass sich da ein Notfall abspielte. Der Krefelder war zu diesem Zeitpunkt selbst gesundheitlich angeschlagen und nur mit zu dem Spiel gekommen, weil sein Schwiegervater ihn überredet hatte. Die Gruppe, mit der die beiden unterwegs waren, war bereits im Stadion. Schwiegervater Christoph aber wollte noch auf eine Person warten, die sich verspätete, weil sie im Stau stand. Stefan blieb bei ihm, damit er nicht alleine warten musste.
Stefan Frohwerk ist von Beruf Krankenpfleger. Als er näher kam, erkannte er die Dramatik der Situation schnell. Er fragte, was passiert sei. Als er keine Atmung und keinen Puls wahrnahm, legte Frohwerk ihn auf den Boden, riss ihm das Hemd auf und begann mit einer Herz-Druck-Massage. Er forderte Christian auf, seinen Vater zu beatmen und leitete ihn genau dazu an. Zweimal zeigte Heinz Hüsken kurz wieder Lebenszeichen, sackte aber wieder weg. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Notarzt und Rettungswagen eintrafen, die zwar auf dem Gelände bereit standen, allerdings am entgegengesetzten Ende des Stadions. „Es waren wahrscheinlich etwa fünf bis zehn Minuten, in denen ich ununterbrochen reanimierte. Sehr anstrengend. Im Krankenhaus wechselt man sich bei so einer Maßnahme jede Minute ab“, erzählt Frohwerk.
Er verabschiedete sich, ging ins Stadion, konnte sich aber nicht auf das Spiel konzentrieren. Hüsken wurde vom Rettungswagen in die Klinik in unmittelbarer Nähe des Stadions gebracht. Er kam auf die Intensivstation, lag zehn Tage lang im Koma. Die ganze Zeit war Ehefrau Veronika an seiner Seite. Man sagte ihr, es könne sein, dass ihr Mann den schweren Herzinfarkt nicht überlebe und wenn, sei ein schwerer Hirnschaden zu befürchten.
Veronika Hüsken, auch von Beruf Krankenschwester, tat alles, um ihren Mann zurück zu holen. Sie sprach mit ihm, spielte ihm seine Lieblingslieder vor, hielt ihm seinen Lieblingsduft unter die Nase. Und tatsächlich, Heinz Hüsken erwachte. Acht Wochen war er im Krankenhaus und erholte sich langsam. Vom „Wunder von Station A13“ war in der Klinik die Rede. Als die Familie sich bei dem Notarzt bedanken wollte, winkte der ab und sagte: „Sie müssen sich bei dem hervorragenden Ersthelfer bedanken. Er hat Ihnen das Leben gerettet.“
Doch wie sollte der ausfindig gemacht werden? Tochter Clara versuchte es in einer Krefelder Facebook-Gruppe. Und tatsächlich, sie fand den Lebensretter vom 29. Juli. Der war in der Zwischenzeit Vater der kleinen Mia geworden. Nach einem Telefonat fand das erste Treffen am 16. November bei Familie Frohwerk in Krefeld statt. „Ich war sehr bewegt, als ich den toten Mann so lebendig vor mir stehen sah“, erzählt der Retter. Natürlich fielen sich die Männer in die Arme. Für die riesengroße Dankbarkeit gab es keine Worte. Erstaunlicherweise war zwischen den beiden Familien von Anfang eine große Nähe und Vertrautheit. „Für uns ist Stefan ein Held“, sagen Heinz und Veronika Hüsken, die drei Kinder haben und in der Zwischenzeit auch glückliche Großeltern sind. „Er hat uns eine zweite Chance, ein neues Leben geschenkt.“ Und das ist es auch, was Stefan Frohwerk so dankbar macht: „Ich habe nicht nur einem Menschen das Leben gerettet, sondern im Grunde einer ganzen Familie“, so der 34-Jährige. Beide Familien sind seitdem eng befreundet. „Den 29. Juli feiern wir seitdem als zweiten Geburtstag“, erzählt Hüsken. Er kann jetzt wieder alles machen, ist vollständig genesen. „Und so langsam lässt auch die Angst meiner Frau nach und ich bin wieder ein Freigänger“, sagt er lachend.
Auf Initiative von Veronika Hüsken wurde Stefan Frohwerk von seiner Heimatstadt mit der „Ehrung für Mut und Zivilcourage“ ausgezeichnet. Heinz Hüsken lebt sein Leben nun gelassener und ganz bewusst. Stefan Frohwerk glaubt jetzt irgendwie an Wunder. Und er sagt: „Es könnten mehr Familien glücklich weiter leben, wenn die Menschen in einer solchen Situation den Mut hätten zu helfen.“