Krankenhäuser in Moers Ärzte sichern Spuren nach Sexualstraftaten

Moers · Im Kreis Wesel können Vergewaltigungsopfer Beweise hinterlegen lassen, ohne zuvor Anzeige zu erstatten. Seit 2017 besteht das Netzwerk „Anonyme Spurensicherung nach Sexualstraftaten“. Jetzt wurde das Projekt verlängert.

 Die Dunkelziffer im Bereich sexueller Gewalt gegen Frauen ist hoch, sagt die Polizei.

Die Dunkelziffer im Bereich sexueller Gewalt gegen Frauen ist hoch, sagt die Polizei.

Foto: pixabay.com

71 Sexualstraftaten sind laut Polizei im vergangenen Jahr in Moers angezeigt worden: Fälle von Vergewaltigung, sexueller Belästigung, sexuellem Missbrauch, Verbreitung kinderpornographischer Schriften. Auch Zuhälterei und ausbeutende Prostitution gehören kriminalstatistisch gesehen zu dieser Deliktsgruppe. Die Aufklärungsquote lag 2018 in der Grafenstadt bei 76,1 Prozent. Doch die Zahl trügt.

„Die Dunkelziffer ist hoch“, sagt Andrea Margraf, Sprecherin der Kreispolizeibehörde Wesel. Das heißt: Viele Sexualdelikte werden gar nicht erst „öffentlich“ – „weil sich Opfer schämen, weil jemand Druck auf sie ausübt oder der Täter vielleicht aus der eigenen Familie kommt“, erklärt Margraf. Diese Menschen, das betont auch Axana Getzlaff von der Fachstelle gegen sexuelle Gewalt beim Verein Frauen helfen Frauen, bräuchten manchmal Jahre, bis sie die Entscheidung treffen, einen Täter anzuzeigen. Zumindest, wenn es um Vergewaltigung geht, bleibt für die Beweissicherung auf der anderen Seite aber nur sehr wenig Zeit. Im Kreis Wesel können Vergewaltigungsopfer Spuren deshalb auch anonym sichern lassen. Seit 2017 besteht das Netzwerk „Anonyme Spurensicherung nach Sexualstraftaten“ (ASS).

Die im Rhein-Sieg-Kreis entwickelte standardisierte Methode erlaubt es Ärzten, Beweise wie Blut-, Urin-, Haarproben, Abstriche oder auch Fotos von Verletzungen auch ohne Einschalten der Polizei so zu sichern, dass sie noch Jahre später als Beweise vor Gericht verwendet werden können. Alle fünf Krankenhäuser mit gynäkologischen Abteilungen, aber auch niedergelassene Frauenärzte nehmen an dem Projekt teil, das von einer interdisziplinären Facharbeitsgruppe des Runden Tisches gegen Häusliche Gewalt an Frauen und Kindern im Kreis Wesel angestoßen und vor kurzem für weitere drei Jahre verlängert wurde. Untersuchungsmaterialien bekommen die Ärzte gestellt, der ärztliche Bericht und die gesicherten Spuren werden anonym unter einem Pseudonym im Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Düsseldorf deponiert und zehn Jahre lang aufbewahrt. „Eine Frau nach sexuellem Missbrauch zu untersuchen, kostet selbstverständlich auch Zeit und Sensibilität“, sagt Dorit Brunotte, Leitende Oberärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Bethanien-Krankenhaus. „Die Ärzte werden deshalb regelmäßig geschult, auch, was die psychologische Betreuung betrifft.“ Trotzdem sei die Inanspruchnahme bislang gering. „Wir haben etwa zwei Fälle pro Jahr, in den anderen Häusern sieht es ähnlich aus“, sagt Brunotte. Axana Getzlaff geht davon aus, dass die ASS-Zahlen mit der Zeit steigen werden. „Wichtig ist, dass möglichst viele Menschen – jeder Arzt, jeder Krankenpfleger und jeder Mensch an der Pforte – wissen, dass es so ein Angebot gibt.“

Und so läuft das Verfahren ab Opfer suchen zeitnah nach der Tat eines der genannten Krankenhäuser (siehe Info) auf. Wer keine Anzeige erstatten möchte, bittet um eine anonyme Spurensicherung. Wenn der Einsatz von K.O.-Tropfen vermutet wird, sollte das erwähnt werden, damit Blut- und Urinproben gesichert werden können.

Das Krankenhaus hält ein Spurensicherungsset bereit. Der ärztliche Untersuchungsbericht und die gesicherten Spuren – zum Beispiel Kleidung, Spermaspuren – werden anonym unter einem Pseudonym im Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Düsseldorf deponiert.

Das Opfer unterschreibt eine Erklärung, dass es eine anonyme Spurensicherung und Lagerung bis zu zehn Jahren wünscht. Davon erhält es eine Durchschrift. Wenn zu einem späteren Zeitpunkt eine Anzeige erstattet werden soll, muss darauf hingewiesen werden, dass die Tatspuren anonym gesichert wurden. Durch das Pseudonym können diese den Akten des Opfers zugeordnet werden. Die Polizei kümmert sich um die notwendigen Schritte. Erfolgt keine Anzeige, werden die Spuren nach zehn Jahren vernichtet.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort