Kommentar Bitte ein bisschen weniger Ich

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung hat Müllfahrzeugen verboten, rückwärts zu fahren. Was lustig klingt, hat einen ernsten Hintergrund. Ein „Wort zum Samstag“.

 Julia Hagenacker, verantwortliche Redakteurin der Lokalredaktion

Julia Hagenacker, verantwortliche Redakteurin der Lokalredaktion

Foto: tber/lber

Liebe Mitmoerser, wir leben in Deutschland, und ich gehe davon aus, dass die meisten von uns das gerne tun. Deshalb müssen wir auch mit einer gewissen Regelwut klarkommen, für die hierzulande nun mal eine Passion besteht. Wenn die Enni Stadt & Service dieser Tage ihre Kunden anschreibt, mit dem Hinweis auf eine neue Branchenregel und der Bitte, der Müllabfuhr das Wenden auf Privatgrundstücken zu erlauben oder Wendehämmer an Abfuhrtagen nicht mit Privatfahrzeugen zu versperren, dann kann ich mir vorstellen, dass der ein oder andere genervt die Augen verdreht. Dabei ist das, was die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung verfügt hat, tatsächlich richtig und wichtig. Konkret hat sie Müllfahrzeugen verboten, rückwärts zu fahren. Was lustig klingt, hat einen ernsten Hintergrund. Jede Woche entsorgt die Enni im Moerser Stadtgebiet tausende Tonnen Abfall. Für das Team von Abteilungsleiter Ulrich Kempken ist das keine einfache Aufgabe, gerade in kleinen, engen und privaten Straßen. Die sperrigen 2,50 Meter breiten Abfallfahrzeuge müssen dort nämlich oft rückwärts, quasi im Blindflug durch navigieren. Dabei kommt es bundesweit immer wieder zu tragischen Unfällen. Erst in der vergangenen Woche ist ein Neunjähriger im Saarland bei einem Unfall mit einem Müllwagen in einer engen, unübersichtlichen Straße gestorben. Unglücke lassen sich niemals zu hundert Prozent verhindern. Aber das Risiko, dass sie an bestimmten Stellen geschehen, kann minimiert werden. Und daran, liebe Moerser, können Sie mitarbeiten. Zum Beispiel indem Sie Ihr Auto nicht dort parken, wo es Müll-, Feuerwehr- oder Rettungswagen den Weg versperrt, oder Sie Ihr Kind mit Bus, Bahn oder Fahrrad zur Schule schicken.

Vergangene Woche habe ich an dieser Stelle über rücksichtslose „Elterntaxi“-Fahrer geschimpft, die ihre Kinder am Schulzentrum Rheinkamp bis unmittelbar vor die Tür kutschieren und dabei andere Verkehrsteilnehmer – vor allem Schüler – gefährden. Ihren Reaktionen und Erfahrungsberichten zufolge sind vielen von Ihnen meiner Meinung: Dass wir alle dringend ein bisschen weniger ich-bezogen agieren sollten. Selbstverständlich können Sie das auch sein lassen. Aber beschweren Sie sich bitte nicht, wenn Sie ihre Mülltonnen demnächst bis an die nächste Hauptstraße ziehen müssen, weil Ihr Auto mal wieder im Wendehammer parkt.

julia.hagenacker@rheinische-
post.de

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