Moers Kirchenkreis gedenkt Völkermord in Ruanda

Moers · Ein Film zeigte im Anschluss an den Gottesdienst, wo und wie ein heute in Vluyn lebender Ruander vor dem Genozid 1994 gelebt hat.

 Paul Gashema berichtet im Heinz-Kremer-Haus von einer Reise in sein Heimatland Ruanda, in dem er vor 20 Jahren dem Genozid entkommen ist.

Paul Gashema berichtet im Heinz-Kremer-Haus von einer Reise in sein Heimatland Ruanda, in dem er vor 20 Jahren dem Genozid entkommen ist.

Foto: KDI

Briefe von afrikanischen Christen trafen beim Kirchenkreis Moers regelmäßig ein. Seit 1985 bestand eine enge Freundschaft mit einer Partnergemeinde in Ruandas Hauptstadt Kigali, man tauschte sich aus, besuchte sich, feierte gemeinsam Gottesdienst. Im April 1994 versiegten die Nachrichten.

Viele Freunde fielen dem Völkermord zum Opfer, bei dem radikale Hutu-Milizen in 100 Tagen mindestens 800 000 Tutsi und gemäßigte Hutu umbrachten. Auslöser war ein Attentat auf Hutu-Präsident Juvenal Habyarimana. Er starb am 6. April 1994 beim Landeanflug auf Kigali durch einen Raketenangriff auf sein Flugzeug. Radikale Hutu lasteten den Mord der Tutsi-Minderheit an und riefen zur Vergeltung auf.

Sein Leben in dem nachfolgenden Bürgerkrieg musste auch Edouard Gafaringa lassen. Als Superintendant des Moerser Partnerkirchenkreises Kigali hatte er die internationale Freundschaft mit aufgebaut. Einziges Lebenszeichen aus Ruanda nach Moers: Ein Anruf seines Sohnes Paul Gashema: "Ich lebe noch." Dann kam lange nichts mehr. In einem Gemeindehaus in einem Vorort von Kigali konnte er sich vor den Hutu verstecken, mit nichts weiter als ein paar Kleidungsstücken, seinem Pass und Schulzeugnis gelang ihm schließlich die Flucht über Uganda nach Deutschland. Seitdem lebt der heute 44-Jährige mit seiner Frau Betty und den drei gemeinsamen Töchtern in Neukirchen-Vluyn. Bei dem Gedenkgottesdienst des Moerser Kirchenkreises an diesem Palmsonntag trauerte er mit der Gemeinde des Heinz-Kremer-Hauses um all jene, die den Völkermord vor 20 Jahren nicht überlebt haben, denen das Leben gewaltvoll genommen wurde — aufgrund ihrer Stammeszugehörigkeit.

Dass die ethnischen Spannungen in Ruanda heute weitgehend verschwunden sind, will Paul Gashema im Anschluss an den Gottesdienst in dem Dokumentarfilm "Glaubenssachen" zeigen. Reporter von der Deutschen Welle haben ihn und seine älteste Tochter Lisa im Januar mit Kameras bei ihrer Reise nach Kigali begleitet. "Papas Leben kennen meine Kinder aus Erzählungen. Lisa ist jetzt alt genug, um sich selber ein Bild zu machen", sagt Gashema unserer Zeitung. Gemeinsam haben sie Ruandas Hauptstadt Kigali besucht, seine Mutter und den Stadtteil, in dem Paul Gashema aufgewachsen ist, sich versteckt hat, überlebt hat. "Wenn ich an den Straßenrand gucke, sehe ich noch immer die Toten, die wir abends heimlich im Licht der Streichhölzer geborgen haben. Nicht die Hochhäuser, die heute dort stehen", sagt er.

Seine 18-jährige Tochter Lisa ist vor allem davon beeindruckt, dass die Ruander sich anscheinend verziehen haben. "Die Leute leben nebeneinander, wo sie sich früher getötet haben." Wenn ihre Schwestern alt genug sind, möchte sie ihnen Ruanda zeigen, so wie ihr Vater es ihr gezeigt hat. Paul Gashema nennt jedoch Deutschland sein Zuhause. "Hier ist meine Familie sicher."

(kno)
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