Moers Qualität geht im Zweifel vor

Moers · Wir haben diese Woche berichtet, dass der Bund der Steuerzahler die Elternbeiträge für Kindergärten in 57 nordrhein-westfälischen Kommunen – in kreisfreien Städten und solchen mit mehr als 60.000 Einwohnern – gegenübergestellt hat. Die Ergebnisse könnten unterschiedlicher nicht sein.

 Julia Hagenacker, verantwortliche Redakteurin der Lokalredaktion

Julia Hagenacker, verantwortliche Redakteurin der Lokalredaktion

Foto: tber/lber

Liebe Mitmoerser, ich frage mal ganz offen: Blicken Sie bei den Kita-Gebühren noch durch? Wir haben diese Woche berichtet, dass der Bund der Steuerzahler die Elternbeiträge für Kindergärten in 57 nordrhein-westfälischen Kommunen gegenübergestellt hat. Die Ergebnisse könnten unterschiedlicher nicht sein. Während in Mülheim die 45-Stunden-Betreuung von Kindern unter zwei Jahren für Eltern ab einem Jahreseinkommen von mehr als 175.000 Euro so viel kostet wie eine kleine Designer-Handtasche (896 Euro pro Monat), verzichtet Düren seit dem 1. August komplett auf Kita-Gebühren.

Moers schwimmt bei diesem Vergleich eher im Mittelfeld. Dabei sind die Kinderbetreuung und die Kosten, die für dafür entstehen, für junge Familien heute mit entscheidend, wenn es um den Wohnsitz geht. Die Frage ist also: Sollten Kita-Gebühren komplett abgeschafft werden, wie es seit dem 1. August in Berlin der Fall ist?

So eine Umstellung funktioniert, wenn überhaupt, nur Schritt für Schritt. Aus Moers wandert der Blick diesbezüglich (mal wieder) nach Kamp-Lintfort. Wie in Düsseldorf ist die Betreuung von Kindern über drei Jahren dort seit 2015 beitragsfrei. Erziehermangel? Gibt es „nebenan“ nicht. Die Rund-40.000-Einwohner-Stadt bildet ihre eigenen Leute aus.

Christoph Müllmann, Erster Beigeordneter und zuständiger Dezernent, hält es perspektivisch für richtig, dass die Länder Kitas generell beitragsfrei stellen und dafür auch die Kosten tragen. In NRW gilt das derzeit nur für das letzte Kita-Jahr. Jede darüber hinausgehende Beitragsfreiheit müssen die Kommunen selbst stemmen.

„Der Ansatz, Kitas im Gegensatz zur Schule kostenpflichtig zu machen, resultiert noch aus der mittlerweile veralteten Vorstellung, dass Kitas lediglich einen Betreuungsauftrag haben“, sagt Müllmann. „Es ist aber aus pädagogischer Sicht seit langem anerkannt, dass die Kita eine Einrichtung zur Betreuung, Bildung und Erziehung ist. Sie bildet insofern die erste Stufe unseres Bildungssystems. Niemand ist in Deutschland bisher auf die Idee gekommen, von den Eltern Geld für den Schulbesuch der Kinder zu verlangen.“ Das, findet der Beigeordnete, müsste in der Konsequenz genauso für Kitas gelten. Auch die Kosten für die aufwendige Einkommensfeststellung und Erhebung der Beiträge könne man sich so sparen.

Keine Frage, für Eltern mit kleinen Kindern wäre die Abschaffung der Kita-Gebühren eine deutliche Entlastung. Das Geld aus dem System zu nehmen könnte aber auch ein Fehler sein. Möglicherweise brauchen wir es, um Qualitätsverbesserungen zu erreichen. Fest steht: Vielen Eltern sind die tatsächlich wichtiger als Gebührenfreiheit.

julia.hagenacker
@rheinische-post.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort