Moers "Kein Licht" am Moerser Schlosstheater

Moers · Regisseur Philipp Preuss wagt in der Schlosstheater-Produktion "Kein Licht / Prometheus" eine ungewöhnliche Verbindung: Ein Stück von Elfriede Jelinek trifft auf den Prometheus-Mythos. Keine leichte Kost, aber eine humorvolle.

 Die Bühne ist als Guckkasten aufgebaut – mal komplett weiß, dann grün. Regisseur Philipp Preuß gibt der Sprache Elfriede Jelineks den Raum, den sie benötigt. Weitere Requisiten sind nicht nötig.

Die Bühne ist als Guckkasten aufgebaut – mal komplett weiß, dann grün. Regisseur Philipp Preuß gibt der Sprache Elfriede Jelineks den Raum, den sie benötigt. Weitere Requisiten sind nicht nötig.

Foto: Schlosstheater Moers

Eine Sirene heult. Irgendwo knistert und knarzt leise der Geigerzähler, während ein Ballon mit Luft gefüllt wird und in seinen Ausmaßen immer weiter wächst — von allen umringt in der angstvoll-wissenden Erwartung, dass der Ballon mit einem Knall platzen wird. Und doch ist das Erschrecken im selben Moment groß.

Der Effekt sitzt; das Bild auch: Die Menschheit läuft sehenden Auges in kleine und große Katastrophen hinein. Das Schlosstheater widmet sich in der aktuellen Spielzeit umweltpolitischen Themen. Es will das Spannungsverhältnis erforschen, in dem sich Mensch und Natur befinden, und die Verantwortung ausloten. In "Kein Licht / Prometheus", das am Donnerstag Premiere im Schloss feierte, spannt Regisseur Philipp Preuss in seiner dritten Inszenierung am Moerser Theater zu diesem aktuellen Thema einen großen Bogen von der Antike bis zur Gegenwart, um der technologiebegeisterten Gesellschaft heute den Spiegel vorzuhalten.

Elfriede Jelinek, eine der wichtigsten zeitgenössischen Theaterautorinnen, liefert der Inszenierung mit ihrem Stück "Kein Licht" die perfekte Vorlage. Vor dem Eindruck des Tsunamis in Japan und der Havarie des Atomkraftwerks Fukushima im Jahr 2011 zeichnete sie eine alptraumhafte Szenerie um Musiker inmitten einer ohrenbetäubenden Stille, in der sie die Töne, die sie spielen, nicht mehr hören können. Philipp Preuss lässt ihren sprachgewaltigen Text, in dem sie die Beherrschbarkeit der Technologie infrage stellt, nicht für sich alleine stehen. Er stellt ihm eine antike Tragödie zur Seite: "Der gefesselte Prometheus". In der griechischen Mythologie bringt er den Menschen das Feuer und damit die Kultur und den Glauben, die Natur formen zu können.

Preuss lässt das Ensemble in silbernen Gewändern das Schicksal des Prometheus verhandeln, den Zeus zur Strafe an einen Felsen gefesselt hatte. Die Bühne ist ein weißer, steril wirkender Guckkasten. In der Mitte hängt eine Kugel von der Decke herab — einem Orakel gleich. Die fünf Schauspieler Katja Stockhausen, Frank Wickermann, Marieke Kregel, Matthias Heße und Patrick Dollas deklamieren den Prometheus-Text, der dem Dichter Aischylos zugeschrieben wird.

Einer nach dem anderen tritt hinter die weiße Kugel, auf die ein Beamer wirkungsvoll die Gesichter als fratzenhafte Masken projiziert, um dann als Chor wieder zusammenzufinden. Der Regisseur, der für seine Schlosstheater-Inszenierung "Der Geizige" nach Molière beim NRW-Theatertreffen 2012 den Publikumspreis und den Preis der Jugendjury erhielt, versteht Prometheus als einen ziemlich wütenden, ja fast aggressiven Mann, der der festen Überzeugung ist, das Richtige getan zu haben. Dazu lässt der Regisseurin Pink Floyds "Atom Heart Mother" von Band abspielen. Die Inszenierung selbst bleibt weitgehend abstrakt.

Dennoch gelingt der Übergang von der Antike zur Gegenwart — mit theatraler Selbstironie und einem Kunstgriff: Mitten in der Aufführung fällt — na klar: die Technik aus. Mit der Bearbeitung von Jelineks Text kehrt der für das Schlosstheater so typische Humor zurück. Der zweite Teil lebt vor allem von der ironischen, bissigen und herausfordernden Sprache der Autorin. Jelineks Musiker sitzen bei Preuss in einem Notausgang fest, ohne jedoch den Ausgang zu finden.

Die fünf Schauspieler tragen weiße, hautenge Ganzkörperanzüge und wirken selbst wie die gesichtslos Männchen auf den Schildern, die in allen öffentlichen Gebäuden auf Notausgänge hinweisen, dazu gibt es ein bisschen Slapstick inklusive. Der Bühnenraum ist nicht mehr weiß, sondern grün ausgekleidet. Darin versuchen die Musiker, die Halbwertzeit ihrer nicht-hörbaren Töne zu ergründen und das Strahlen (radioaktiv) zu interpretieren, um dann festzustellen, dass die "Natur sie vom Feld genommen hat". Zuletzt ist nur noch eine Schaufel zu hören, die ein Loch mit Erde zuschüttet. Und dann geht das Lichtlangsam aus.

(RP/rl)
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