Moers Kampf um das Geld der Stadt

Moers · Amar Azzoug vom Bunten Tisch Moers befürchtet, die Diskussion um mögliche Kürzungen werde durch Lobbyismus entschieden. Die Interessengruppen mit den besten Kontakten würden am Ende gewinnen.

 Amar Azzoug (hier mit Gisela Stoldt bei der Verleihung des Bunten Stiftes).

Amar Azzoug (hier mit Gisela Stoldt bei der Verleihung des Bunten Stiftes).

Foto: Dieker, Klaus

In den diplomatischen Dienst hätte Amar Azzoug nicht gehen dürfen. Immer wieder redet der Vorsitzende des Bunten Tisches Tacheles. Er legt sich, wenn es sein muss, mit Politikern und Parteien an. Und er bricht mit dem Tabu, als Migrant nicht auch andere Migranten kritisieren zu dürfen — zumindest hin und wieder. "Die Politiker wurden dafür gewählt, zu entscheiden", stellt der 53-Jährige fest. "Sie müssen zum Beispiel über den Haushalt 2013 und den Sanierungsplan entscheiden. Ob alle dazu fähig sind, weiß ich nicht."

 Beispiel für die Arbeit des Bunten Tisches: Yob Joseph Desire leitet einen Qualifikationskurs für Flüchtlinge.

Beispiel für die Arbeit des Bunten Tisches: Yob Joseph Desire leitet einen Qualifikationskurs für Flüchtlinge.

Foto: kdi

Das will er nicht als platte Kritik verstanden wissen. Denn er hält einen Haushaltplan für kompliziert. Und er beneidet nicht die Politiker, die darüber zu entscheiden haben, wo gekürzt oder mehr eingenommen werden soll. "Sie müssen den gesamten Überblick haben, um Vorschläge machen zu können und zu wissen, wie diese sich auswirken. Das ist kaum möglich. Deshalb verschaffen sich einige keinen Überblick." Soziologen bezeichnen dieses Phänomen als "Rationale Ignoranz": Wenn es sehr viel Zeit und Energie kostet, sich ausreichend zu informieren, um gut entscheiden zu können, spart man sich die Zeit und bleibt uninformiert. Man entscheidet stattdessen nach Gefühl oder nach Meinung der "Zeloten", der Meinungsführer in den Gruppen. "Hier kommt der Lobbyismus ins Spiel", erklärt Amar Azzoug. "Eine Entscheidung, etwa über den Haushalt, muss jenseits des Lobbyismus fallen. Aber es ist naiv, zu glauben, dass das so ist."

Die Meinungsführer der Fraktionen würden zum Beispiel von den Sprechern mehrerer Interessengruppen beeinflusst, deren Stimmen sie bräuchten. Wer die besten Kontakte habe, gewinne und erhalte die meisten Mittel. "Der Bunte Tisch ist religiös und parteipolitisch neutral", erklärt Amar Azzoug, warum sich sein Verein nicht am Kampf der Interessengruppen beteiligt. "Der Vorteil ist, dass man unabhängig seine Meinung sagen kann und keine Fraktion unterstützen muss. Der Nachteil ist, dass man keine politische Lobby hat."

Doch damit übertreibt der Vorsitzende. Denn eine gewisse Lobby hat der Bunte Tisch. Sonst würde dieser Verein nicht 30 000 Euro im Jahr von der Stadt Moers erhalten. "Zu einzelnen Politikern aller Parteien haben wir gute Kontakte auf menschlicher Ebene", erklärt der Vorsitzende. Diese wüssten die Arbeit des Bunten Tisches zu schätzen. "Dass der Bunte Tisch bis Ende 2014 seine Arbeit fortführen wird, wurde im März bei der Mitgliederversammlung beschlossen", kommentiert er die Gedanken einzelner Politiker, die drei internationalen Zentren in Moers zusammenzulegen, also das IKM in Meerbeck, das Internationale Zentrum der Awo in Repelen und den Bunten Tisch in Scherpenberg. Zu einer zehnprozentigen Kürzung des Zuschusses, wie sie von manchen Politikern hinter vorgehaltener Hand vorgeschlagen wird, meint er: "Das würde uns ab Januar 2014 treffen. Denn für 2013 ist der Zuschuss noch festgeschrieben. Mit 3000 Euro weniger von der Stadt könnten wir auch weniger Mittel für Projekte akquirieren, zum Beispiel von der Bundeszentrale für politische Bildung, vom NRW-Familienministerium oder der Robert-Bosch-Stiftung. Das sind weitere rund 50 000 Euro im Jahr. Denn für diese Projekte ist ein Eigenanteil notwendig, der nach einer Kürzung geringer wäre. So müsste der Bunte Tisch bei einer Kürzung das Angebot zurückfahren."

Gespräch mit der SPD-Fraktion

Die Hoffnung, den städtischen Zuschuss halten zu können, hat er allerdings noch nicht ganz aufgegeben. Morgen hat die SPD-Fraktion zu einer Veranstaltung mit den Vereinen eingeladen. Vielleicht ist Amar Azzoug dort ein wenig diplomatischer...

(got)
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