Junges Schlosstheater: „Der letzte Henker“ Von der Lust an der Lizenz zum Töten

Was treibt Menschen dazu, Henker zu werden? Premiere eines sehenswerten Dokudramas mit dem Jungen Schlosstheater Moers.

 Eine Szene aus dem „Letzten Henker“, gespielt vom Ensemble des Jungen Schlosstheaters.

Eine Szene aus dem „Letzten Henker“, gespielt vom Ensemble des Jungen Schlosstheaters.

Foto: Norbert van Bebber

„Der letzte Henker“ ist ein Ensembleprojekt, uraufgeführt 1998 als Koproduktion von drei Schweizer Theatern, das am Samstag im Studio des Schlosstheaters (STM) unter der Regie von Lea Krell mit dem Ensemble „Junges STM“ Premiere hatte.

Der Hintergrund des kaum gespielten Stückes von Elias Perrig und Peter-Jakob Kelting, bearbeitet von Bernhard Studlar, basiert auf einer wahren Begebenheit aus der Schweiz. Grundlage für das Stück bilden auf Interviews mit Männern, die sich im Jahr 1938 freiwillig meldeten, um die Todesstrafe an einem Dreifachmörder zu vollstrecken. Dazu gab es ein öffentliches Bewerbungsverfahren, im Rahmen dessen sich weit über 120 Freiwillige den teils insistierenden Fragen einer Kommission stellten, um die ausgeschriebene Position des Vollstreckers zu bekommen.

Doch was treibt Menschen dazu, Henker zu werden? Und wie weit gehen sie, wenn sie die Legitimation zum Töten haben? Sind ihre persönlichen Beweggründe uns tatsächlich so fremd, wie wir meinen? Das Dokudrama thematisiert insofern Fragen von Recht und Gerechtigkeit ebenso wie von Moral und Ethik.

Lea Krell stand bereits in zwei Stücken des Jungen Schlosstheaters als Schauspielerin auf der Bühne. Jetzt führt sie erstmals Regie in einer Inszenierung. Mit ihrem Regiedebüt wagt sich die junge Regisseurin an einen herausfordernden Stoff, dessen Umsetzung ihr zusammen mit dem Ensemble Fahras Emami, Klaas Herchert, Simon Lemmer, Melena Ross und Eduard Sasimovich vielerorts gelingt. So gestaltet sie das STM-Studio in einen öffentlichen Verhandlungsraum, indem sie die übliche Zuschauer- und Bühnenebene auflöst. Auf diese Weise wird das Publikum ungewollt Teilhaber des makabren Bewerbungsverfahrens. Trotzdem lässt sie den fünf Bewerbern genügend Privatsphäre, ihre unterschiedlichen Beweggründe, Charaktere und Seelenzustände offenzulegen.

Allein der Text der Interviews widerspiegelt den Zwiespalt und die innere Zerrissenheit der Kandidaten, ihre Psyche und Gefühle, auf beeindruckende Art und Weise, da hätte es weit weniger technischer Lichtwechsel und inszenierter Gefühlsausbrüche in der Darstellung bedurft. Es sind die menschenverachtenden Worte, die die Bewerber demaskiert: „Einer muss es ja machen“ oder „Aus Überzeugung Henker sein“ oder „Unsereins kann Köpfen“ oder „Ich habe keine Skrupel“ oder „Ich habe etwas Tierisches in mir“.

So endet die 90-minütige Inszenierung konsequenterweise auch mit einem Zitat des Psychoanalytikers Erich Fromm: „Der Mensch unterscheidet sich vom Tier dadurch, dass er ein Mörder ist.“

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