Debatte zum stillen Feiertag Ist das "Tanzverbot" an Karfreitag zeitgemäß?
Moers · Soll der stille Feiertag beibehalten werden? Auch in Moers wird diskutiert. Pfarrer Matthias Immer sagt Ja, Paul Stucki von den Jungsozialisten widerspricht.
JA
Ich tanze gerne. Manchmal aber möchte ich nicht tanzen: beim Blick auf Menschenrechtsberichte oder schlicht Nachrichten aus Syrien. Dann mag ich nicht tanzen, sondern nachdenken und innehalten. Als Christ geht es mir so beim Blick auf Jesus Christus und den Tag, an dem er gekreuzigt wurde. Karfreitag weist mich auf Leid, Not und Unrecht.
Dieser Tag ist für evangelische Christinnen und Christen einer der höchsten Feiertage. Jesus steht dabei im Brennpunkt menschlichen Leidens. Er erleidet Unrecht, Folter und Mord. Wie viele Menschen erleiden dies heute, gerade jetzt? Als Unschuldige, durch die Schuld anderer niedergedrückt?
Einer Gesellschaft steht es gut an, sich dieser Abgründe menschlichen Lebens zu erinnern. Aus der Tradition heraus ist es an diesem Tag möglich. Für den Zeitraum dieses Tages ist die Grundform verbindlich für alle. In diesem Rahmen kann ich den Tag gestalten, wie ich es möchte. Es bleibt aber für die Einzelne oder den Einzelnen einschränkend. Aber wenn auch eine solche gesellschaftliche Vorgabe aus der Mode gekommen ist, hält der gemeinsame Gedenktag das "Wir" zusammen, von dem unser Land lebt. Aus meinem Glauben heraus ist es notwendig, sich am Karfreitag zu erinnern. Unser Gott schwebt nicht über den Dingen, sondern wird Mensch. Gott teilt Ohnmacht und Leid. Daraus wird Hoffnung, dass alles Leid überwunden wird. Karfreitag muss Ostern erst noch werden. Ein Tag des Innehaltens tut uns gut. Dann kann ich Ostern umso mehr feiern und tanzen.
NEIN
Die Debatte bezüglich des Tanzverbotes am Karfreitag wird wohl niemals enden.
Dieser Tag zählt im Christentum zu den wichtigsten und heiligsten überhaupt. Jesus Christus wurde an diesem Tag von den Römern gekreuzigt.
Doch was habe ich damit zu tun? Hier beginnt nämlich das Problem: Es wird versucht, den Menschen ein Unterlassen aufzuzwingen.
Deutschland ist ein multikulturelles Land, dazu gehören nicht nur andere Religionen, sondern auch andere Meinungen. Beispielsweise die atheistische Ansicht.
Warum sollte jemand sein Leben, seine Gewohnheiten an etwas anpassen müssen, wozu er oder sie überhaupt keinen Bezug mehr hat?
Eine Gesellschaft, wie unsere, welche stets zur Akzeptanz und Toleranz aufruft, sollte sich vor einer solchen Bevormundung in Acht nehmen. Ein religiöser Mensch benötigt kein Tanzverbot, um an Karfreitag dem qualvollen Tode Jesu zu gedenken und Trauer zu empfinden. Auch wenn Rücksicht genommen werden muss, sollte man niemals versuchen anderen etwas aufzubinden.
Es gilt immer zu beachten, was Rosa Luxemburg einst formulierte: "Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt" und das gilt für beide Seiten.
Dieser Artikel wurde bereits 2018 veröffentlicht, wir bieten ihn hier erneut zum Lesen an.